Verfahrensarten unterhalb der EU-Schwellenwerte

Inhaltsverzeichnis

Definition

Wird der Schwellenwert nicht erreicht, liegt die Ausschreibung im Unterschwellenbereich.
Auch für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte sind zunächst die von Verfassungs- und primärem Unionsrecht aufgestellten Maßgaben zu berücksichtigen. Nicht anwendbar sind hingegen die EU-Vergaberichtlinien sowie die Vorschriften der §§ 97 ff. GWB, der VgV, der SektVO, der KonzVgV, der VSVgV sowie der Abschn. 2 und 3 der VOB/A. Unterhalb der Schwellenwerte ist gesetzliche Grundlage für die Vergabe öffentlicher Aufträge das Haushaltsrecht der jeweiligen Körperschaft.
Zur Anpassung an die EU-Richtlinien zum Vergaberecht und die dazu erfolgten Rechtsänderungen (GWB, VgV) wurde eine neue Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte notwendig. Dazu hat der Bund mit der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) vom 02.02.2017 die notwendigen Voraussetzungen für den Ersatz der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) geschaffen.

Unterhalb des Schwellenwertes kann zwischen folgenden Vergabeverfahren gewählt werden

    1. Öffentliche Ausschreibung
    2. Beschränkte Ausschreibung mit oder ohne Teilnahmewettbewerb
    3. Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb
    4. Direktauftrag (de lege lata aber kein Vergabeverfahren)

Öffentliche Ausschreibung

Diese Verfahrensart entspricht im Wesentlichen dem offenen Verfahren. Bei Öffentlichen Ausschreibungen fordert der Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten auf.

Beschränkte Ausschreibung mit oder ohne Teilnahmewettbewerb

Die Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb entspricht dem nicht offenen Verfahren oberhalb der Schwellenwerte.
Bei einer Beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb fordert der Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich durch eine Auftragsbekanntmachung nach § 28 Abs. 1 UVgO zur Abgabe von Teilnahmeanträgen im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs auf. Jedes interessierte Unternehmen kann einen Teilnahmeantrag stellen (§ 10 Abs. 1, 2 UVgO). Mit dem Teilnahmeantrag übermitteln die Unternehmen die vom Auftraggeber geforderten Informationen für die Prüfung ihrer Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen.

Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb

Die „Freihändige Vergabe“ der VOL/A wurde mit Geltung der UVgO in „Verhandlungsvergabe“ umbenannt.

Bei der Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb fordert der Auftraggeber durch eine Auftragsbekanntmachung nach § 27 Abs. 1 UVgO öffentlich eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen auf, im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs Teilnahmeanträge abzugeben. Dabei kann jedes interessierte Unternehmen einen Teilnahmeantrag stellen. Allerdings dürfen nur diejenigen Unternehmen, die vom Auftraggeber nach Prüfung der übermittelten Informationen über ihre Eignung und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen gem. § 37 UVgO dazu aufgefordert werden, ein Angebot abgeben.

Bei der Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb fordert der Auftraggeber ohne eine Auftragsbekanntmachung nach § 27 Abs. 1 UVgO mehrere, grds. mindestens drei Unternehmen zur Abgabe eines Angebotes bzw. direkt zu Verhandlungen auf; ein Teilnahmewettbewerb findet nicht statt. Auch hier vollzieht sich das wettbewerbliche Verfahren nur unter den zur Abgabe eines Angebotes bzw. zur Durchführung von Verhandlungen aufgeforderten Unternehmen.

Direktauftrag

In § 14 UVgO wird entsprechend der alten Regelung in § 3 Abs. 6 VOL/A die Möglichkeit vorgesehen, Aufträge unterhalb eines Bagatellwertes im Wege des Direktauftrages zu vergeben.
Leistungen bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 1 000 Euro ohne Umsatzsteuer können unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne die Durchführung eines Vergabeverfahrens beschafft werden (Direktauftrag). Der Auftraggeber soll zwischen den beauftragten Unternehmen wechseln.

Wussten Sie schon?

Die UVgO ist nicht nur in ihrer Struktur am Aufbau der VgV ausgerichtet, auch ihre Vorschriften entsprechen teilweise wörtlich den einschlägigen Bestimmungen der §§ 97 ff. GWB und der VgV. Die Erläuterungen der UVgO weisen für die betreffenden Normen explizit darauf hin, dass sie den für Oberschwellenvergaben geltenden Regelungen nachgebildet sind. In diesen Fällen steht nichts entgegen, die zur Auslegung der §§ 97 ff. GWB und der VgV entwickelten Grundsätze auch auf die parallelen Bestimmungen der UVgO anzuwenden.

Allerdings ist zu beachten, dass Regelungen der VgV durch die UVgO nicht selten nur abgewandelt übernommen werden und dabei bewusste Vereinfachungen enthalten. In diesen Fällen ist sorgfältig zu ermitteln, inwieweit die von den Nachprüfungsinstanzen vorgenommene Auslegung der Vorschriften von GWB und VgV dem Willen des Normgebers und dem Zweck der jeweiligen Normen der UVgO entspricht. Dies gilt umso mehr, wenn die UVgO (vermeintliche) Regelungslücken enthält und eine analoge Anwendung von für Vergaben ab Erreichen der Schwellenwerte geltenden Bestimmungen in Erwägung gezogen wird. Auch ist bei der Auslegung zu beachten, dass die mit den Regelungen des Vergaberechts ab Erreichen der Schwellenwerte verfolgten Ziele nach wie vor nicht vollständig mit den Zielen der für Unterschwellenvergaben geltenden Vorschriften identisch sind.

Zudem sind landesrechtliche Bestimmungen im Unterschwellenbereich zu beachten. Die Mehrzahl der Bundesländer hat mittlerweile unter verschiedenen Bezeichnungen vergaberechtliche Regelungen in Gestalt formeller Landesgesetze erlassen. Regelungsschwerpunkte sind u.a. eine Erstreckung des ab Erreichen der Schwellenwerte geltenden Auftraggeberbegriffs auf alle Vergaben oberhalb einer bestimmten Bagatellgrenze sowie Bestimmungen zur Berücksichtigung sozialer und ökologischer Zwecke bei der Vergabe.

Binnenmarktrelevante Aufträge, die im Rahmen einer Verhandlungsvergabe ausgeschrieben werden, erfordern stets einen Teilnahmewettbewerb. Ein Teilnahmewettbewerb sollte auch dann die Regel sein, wenn der Auftraggeber keinen hinreichenden Marktüberblick hat und sich diesen über den Teilnahmewettbewerb erst erschließen will.

Durch die Formulierung "Direktauftrag" statt wie bisher "Direktkauf" soll verdeutlicht werden, dass nicht nur Liefer-, sondern auch Dienstleistungen umfasst sind. Durch die systematische Stellung des Direktauftrags am Ende des Unterschabschnitts 1 und dadurch, dass er nicht im Katalog des § 8 Absatz 1 erwähnt wird, wird deutlich, dass es sich beim Direktauftrag nicht um ein Vergabeverfahren handelt.

Suche

Spezialkanzlei für Vergaberecht

Europaweite Expertise im Vergaberecht - Ihr kompetenter Partner in allen Phasen des Vergabeprozesses.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner