Für ihn ist das Ehrensache, er lässt sich nichts bieten, und manchmal ist er darauf auch noch stolz. Gelegentlich verrennt er sich, und doch nötigt er uns Respekt ab: der Kämpfer.
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Hören Sie es auch, dieses Klirren von Metall?
In der Phänomenologie unserer Bietertypen darf der Kämpfer nicht fehlen. Er trägt keine Waffen, seine Gesänge sind nicht unbedingt laut und wild, auch schüttelt er keine geballten Fäuste. In einem Rechtsstaat bedient er sich ganz anderer Mittel: der freundlichen Nachfrage, der List und auch der Hinhaltung, der Drohung und manchmal auch eines Anwalts. Was uns Anwälte besonders freut, soviel Ehrlichkeit muss sein.
Wie er den Auftraggeber sieht
Der Kämpfer begreift den Auftraggeber sicherlich auch als Partner, aber doch als einen eher schwierigen. Als jemanden, der ihn nicht versteht, der ihm nicht zuhört. Der keine Vernunft obwalten lässt, der dem Kämpfer nicht gibt, was dem Kämpfer gebührt. Dabei achtet der Kämpfer den Auftraggeber keineswegs gering, er lebt nur schlicht in der Annahme, dass der Auftraggeber entgegengesetzte, nicht bloß verschiedene, sondern oftmals diametral entgegengesetzte Interessen verfolgt. So wie der Kämpfer doch auch!
Sie spüren es schon, meistens ist der Kämpfer nicht sonderlich empathisch. Es fällt ihm schwer, sich vorzustellen, dass andere Menschen von ganz anderen Kräften bewegt werden als dem eigenen Willen. Der Auftraggeber, wie ihn der Kämpfer sieht, hat nämlich einen eigenen, einen entgegengesetzten Willen. Dazu gehört, dass er einfach nicht begreifen will, dass der Kämpfer gewinnen muss. Dass es die vornehmste Aufgabe des Auftraggebers ist, nach – gerne auch heftigem – Widerstand den Kämpfer zum Sieger zu erklären. Ihm seinen Willen zu lassen. Der Kämpfer sieht den öffentlichen Auftraggeber, das Fachamt, die Vergabestelle letztlich als Stelle mit anderem Willen. Diesen Willen muss er brechen, umgehen, ins Leere laufen lassen – ganz egal, entscheidend ist nur, dass sich sein Wille durchsetzt. Der Wille des Kämpfers.
Mehr als Geld?
Geht es unserem Kämpfer um mehr als den schnöden Mammon? Oh ja! Natürlich glaubt der Kämpfer, die Auftraggeber würden letztlich nur sein Geld verwalten, und sie würden dieses Geld nur ungern, viel zu ungern, an ihn herausgeben. Und das auch noch ohne jedes Recht, schließlich, so der Kämpfer, ist es ja letztlich sein Geld, das ihm zustehende Geld, seine Entlohnung, Vergütung, der gerechte Lohn für all die Plackerei.
Aber es geht ihm – bei aller Betonung des Geldes – in der Regel doch um etwas anderes. Worum?, fragen Sie sich jetzt. Der Kämpfer mag von Anerkennung sprechen oder auch von Fairness. Er mag eine strategische Bedeutung einer Auseinandersetzung erkennen oder auch etwas unbestimmt von Chancen in der Zukunft sprechen. All das gibt es beim Kämpfer. Und all das ist letztlich uninteressant. Der Kämpfer – und das müssen Sie verstehen, wenn Sie einem begegnen – der Kämpfer will sich durchsetzen. Er will gewinnen. Der Kämpfer will seinen Willen.
Ein Streithansel also?
Wenn Sie es jetzt auf den Begriff bringen wollen, wenn Ihnen Begriffe wie Prozesshansel, Streithansel, Querulant etc. durch den Kopf schießen, dann muss dieser kleine Beitrag fortgesetzt werden. Denn dann haben Sie noch nicht ganz erfasst, was ich Ihnen sagen möchte. Der Kämpfer kann sehr besonnen sein. Er kann sogar honorig wirken. Er mag auf bestimmte Streitereien auch bewusst verzichten, weil er seine Kampfzone auf eine andere, Ihnen noch unbekannte Weise definiert. Weil er die Zeit für eine offene Schlacht, mit der er keinerlei Probleme hätte, noch nicht als gekommen ansieht. Der Kämpfer kann so sein, er kann aber auch als ganz miese Type daherkommen, die lügt und betrügt oder sich zu keiner Zeit im Griff zu haben scheint. All das ist kontingent, es ist vollkommen zufällig. Es hat rein gar nichts zu tun mit der Eigenschaft, Kämpfer zu sein. Dem Kämpfer geht es um etwas anderes, ja, um etwas Höheres und zugleich auch unendlich Leeres: den Erfolg seines Willens. Der Kämpfer will gewinnen, er will sich durchsetzen, er will seinen Willen behaupten – möglicherweise auch um den Preis des eigenen Untergangs.
Der Kämpfer – und das unterscheidet ihn vom Nörgler, der oftmals schlicht ein Rechthaber ist, ein reiner Kritiker – der Kämpfer erkennt durchaus an, dass er sich irren mag. Er ist nicht per se blindwütig, er gibt nur niemals auf. Er kann sogar umsichtig sein, zurückhaltend im Auftreten, bescheiden und leise wirken, all dies ist kontingent, will sagen: es ist reiner Zufall. Entscheidend ist, dass er kämpft. Er kämpft, wenn er ein echter Kämpfer ist, mit allen Mitteln, nicht nur mit denen des Rechts, und das bedeutet, er wird auf keinen Vorteil verzichten, außer er will es so, und er wird erst ruhen, wenn auch aus seiner Sicht unumstößlich feststeht, dass er unterlegen ist. Kämpfer sterben nicht, sie verlieren die Berufung.
Und wie siegen Sie?
Wenn Sie einem Kämpfer begegnen, sei es in der Nachtragsschlacht oder im Vergabeverfahren, geben Sie ihm etwas zu gewinnen. Zeigen Sie ihm ein Gebiet – ohne es ihm zu sagen –, auf dem er gewinnen kann. Noch mal, zeigen Sie es ihm, aber sagen Sie es ihm nicht. Um mit Kämpfern klarzukommen, müssen Sie selbst willensstark sein. Aber auch uneitel. Sie müssen – wenn Sie weiterkommen wollen – bereit sein, zu verlieren. Seien Sie jetzt nicht aufgebracht oder enttäuscht! Ich fordere Sie nicht dazu auf, nachzugeben. Im Gegenteil, Sie als Auftraggeber sollen gerne gewinnen. Nur müssen Sie dazu auch etwas verlieren. Sie müssen dem Kämpfer etwas zu gewinnen geben, wenn Sie Ruhe haben wollen. Ein probates Mittel ist zum Beispiel, eine weitere Kampfzone zu eröffnen, die aus Ihrer Sicht nicht so wichtig ist, die Sie jedoch nach außen hin äußerst wichtig nehmen müssen. Denken Sie an unangenehme, gefährliche Ausschlussgründe im Vergabeverfahren, deren genauen Inhalt die Rechtsprechung noch nicht geklärt hat. Oder an andere, demnächst erscheinende Ausschreibungen, die weniger formal sind und Ihnen größere Spielräume belassen. Aber sagen Sie es nicht, um Gottes Willen. Sagen Sie niemals zum Kämpfer, dass Sie dies und jenes tun oder lassen, wenn er dies oder jenes tut oder lässt. Zeigen Sie es ihm. Er muss selbst darauf kommen. Zeigen Sie es ihm, und lassen Sie ihn eine Schlacht gewinnen. Während Sie im Krieg siegen.
Was uns Teddy Roosevelt lehrt
Sagt Ihnen der Name Teddy Roosevelt etwas? Ein Bärenjäger und Soldat und schlussendlich sogar US-Präsident vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein begnadeter Redner, messerscharfer Analytiker, kurz: ein ganz anderes Kaliber als der gegenwärtige Amtsinhaber. Von ihm stammt eine berühmte Rede, er hat sie 1910 in Paris gehalten. Ihr Titel lautet „Citizenship in a Republic“. Ins Deutsche übersetzt: „Die Bürgerschaft in einer Republik“. Das bekannteste Zitat aus dieser Rede – zugleich eines meiner Lieblingszitate – will ich Ihnen nicht vorenthalten. Es lautet wie folgt: „Es ist nicht der Kritiker, der zählt. Nicht die Person, die draufzeigt, wenn der Starke stolpert, wenn der Tätige etwas hätte besser machen können. Die Anerkennung gebührt der Person, die tatsächlich in der Arena steht, das Gesicht gezeichnet von Staub und Schweiß und Blut. Die Person, die tapfer strebt, die irrt und wiederholt zu kurz kommt, gibt es doch keine Anstrengung ohne Irrtum und Mangel. Wer aber bestrebt ist, Taten zu vollbringen, wer großen Enthusiasmus kennt, große Hingabe, wer sich einer würdigen Sache verschreibt, im besten Fall den Triumph großer Erfolge auskostet und im schlimmsten Fall, unter größtem Widerstand, versagt, dessen Platz wird niemals bei den kalten und ängstlichen Seelen sein, die weder Sieg noch Niederlage kennen.“
Der Kämpfer mag es übertreiben. Vielleicht ist er gefangen in einer von Antagonismen geprägten, manichäischen Weltsicht. Möglicherweise kennt er auch seine eigenen Interessen nicht, nur seinen Willen, der damit keinesfalls identisch sein muss. Und vielleicht ist dieser Wille unfassbar leer. Eins jedoch ist unser Kämpfer nicht. Er ist keine dieser kalten und ängstlichen Seelen, wie sie Teddy Roosevelt nennt. Der Platz des Kämpfers ist niemals bei den kalten und ängstlichen Seelen. Und das muss man ihm lassen.
Hinweis: Dieser Rechtstipp ersetzt keinen anwaltlichen Rat im Einzelfall. Er ist naturgemäß unvollständig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezogen und stellt zudem eine Momentaufnahme dar, da sich gesetzliche Grundlagen und Rechtsprechung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denkbaren Konstellationen abdecken, dient Unterhaltungs- und Erstorientierungszwecken und soll Sie zur frühzeitigen Abklärung von Rechtsfragen motivieren, nicht aber davon abhalten.