Es gibt sie noch, sie waren nie weg, und bald schon mag es sie wieder häufiger geben, etwa wenn die öffentliche Bautätigkeit abflauen sollte: die Nörgler unter den Bietern und Auftragnehmern.
Was ist ein Nörgler?
Seien Sie ehrlich, Sie wissen es doch. Sie denken an nach unten gezogene Mundwinkel, mahnend erhobene Zeigefinger und ein routiniert klingendes „Aber“ und „Na ja“. Sie denken an einen sich langsam von links nach rechts wiegenden Schädel und an all die Fragen, die mit dem ewigen Wort „Warum“ eingeleitet werden. Schon haben Sie ein Bild vor Augen. Den Nörgler.
Beliebt in Vergabeverfahren und Besprechungen jeder Art
Er meldet sich in Vergabeverfahren wie Baustellenbesprechungen gerne und ausgiebig zu Wort, er ist gesprächig, und manchmal hat er sogar Humor. In der Regel ist er weder bösartig noch gefährlich für den Projekterfolg, manchmal hat er schlicht recht, und man würde ihm ja auch gerne entgegenkommen. Wenn er nur nicht so ausgiebig und andauernd nörgeln würde. Der Nörgler (auch Meckerer, Sich-Beschwerer, Ningeler genannt) ist kein schlechter Mensch, er weiß sehr viel und will dieses Wissen mit Ihnen teilen, nur versteht er es nicht, all dies auf eine positive, bejahende Art und Weise zu tun.
Wie äußert er sich im Vergabeverfahren?
Im Vergabeverfahren meldet sich der Nörgler gerne mit der Andeutung zu Wort, etwas (ein bestimmtes Auftraggeber-Verhalten, eine Vorgabe im Leistungsverzeichnis etc.) sei „möglicherweise rügefähig“. Wobei er keinerlei erkennbare Absicht mit diesem Hinweis verfolgt, insbesondere scheint es ihm noch nicht mal darum zu gehen, Sie umzustimmen, zum Einlenken zu bewegen etc. Er weist auf eine mögliche Vergaberechtswidrigkeit hin und ist sich zugleich vollends bewusst, dass er keine Rüge abgesetzt hat. Es stört ihn noch nicht mal. Der Kämpfer etwa, ein ganz anderer Bieter- und Auftragnehmer-Typ, wird schlicht rügen, was ihn stört. Nicht so der Nörgler. Er stellt ein Problem in Aussicht, auf dessen Eintritt oder Nichteintritt zumindest er keinerlei Einfluss zu haben vorgibt. Gesehen hat er es natürlich. Aber ob und wie es gelöst wird, das ist nicht seine Sache.
Und im Vorhaben?
In der Besprechung ist der Nörgler in seinem Element. Gerne erklärt er Dinge „zu Protokoll“, wobei er nicht immer darauf achtet, dass auch tatsächlich protokolliert wird, was er anzumerken hat. Das Medium ist ihm im Übrigen gleichgültig, er kann es digital über Zoom genauso wie auf engstem Raum in einem kleinen Container-Büro. Wobei er oftmals lange schweigt und tatsächlich oder auch nur vermeintlich zuhört und dabei möglicherweise schwere Gedanken wiegt, bis er schließlich ansetzt – manchmal eingeleitet durch eine zaghaft erhobene Hand oder eine Frage, ob seine Meinung erwünscht sei, hier differenzieren sich die Charaktere aus – und nörgelt. Anders als der Grantler wahrt er stets Ton und Sitte, geht dabei aber Ihnen und den freiwillig oder gezwungenermaßen anwesenden Kollegen stets auch etwas auf die Nerven.
Wie man ihn am besten nimmt
Sie werden den Charakter des Nörglers nicht ändern. Nehmen Sie ihn also, wie er ist. Er muss reden können und dürfen, lassen Sie ihn also aussprechen. Viele sind einfach dankbar, wenn man ihnen zuhört. Bedanken Sie sich möglicherweise auch für den Input, delegieren Sie etwaige daraus erwachsende Arbeitsaufträge zumindest zum Schein. Im Einzelfall sollten Sie auch durchaus überlegen, ob was dran ist. Achtung, der Nörgler kann ein absoluter Fachmann sein, das eine schließt das andere nicht aus. Nur eines sollten Sie eher nicht tun: den offenen Austausch suchen, das Gespräch. Der Nörgler nörgelt, weil er nörgelt. Er mag recht haben oder nicht, er wäre kein Nörgler, wenn ihn die Lösung interessieren würde. Rechtlich liegt der Fall übrigens noch einfacher: Das Inaussichtstellen einer Rüge ist keine Rüge.
*Dieser Rechtstipp ersetzt keinen anwaltlichen Rat im Einzelfall. Er ist naturgemäß unvollständig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezogen und stellt zudem eine Momentaufnahme dar, da sich gesetzliche Grundlagen und Rechtsprechung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denkbaren Konstellationen abdecken, dient Unterhaltungs- und Erstorientierungszwecken und soll Sie zur frühzeitigen Abklärung von Rechtsfragen motivieren, nicht aber davon abhalten.