Sie kennen die Situation: Sie blättern durch die Leistungsbeschreibung, und je länger Sie darin lesen, desto klarer steht Ihnen vor Augen, welche Produkte sich der Auftraggeber wünscht, aber nicht ausdrücklich hineingeschrieben hat. Verärgert legen Sie die Leistungsbeschreibung zur Seite. Denn Sie können oder wollen nicht mit diesen Produkten bauen, aus technischen oder auch wirtschaftlichen Gründen.
Gehen Sie in den Clinch
Dabei sollten Sie das genaue Gegenteil tun. Eine verdeckte Produktspezifik, also Produktvorgaben, die nicht ausdrücklich aufgestellt werden, sondern sich vielmehr aus dem Zusammenspiel aller Einzelvorgaben und damit quasi stillschweigend ergeben, sind sehr verbreitet. Und (nicht nur) nach unserer Überzeugung immer (!) unzulässig. Wehren Sie sich also dagegen, formulieren Sie – am besten mit anwaltlicher Hilfe – eine Rüge.
Und was genau soll ich rügen?
Wie wäre es damit: Die Bestimmung ist vergaberechtswidrig, weil sie intransparent ist. Es wird verschwiegen und verschleiert, dass in Wahrheit gerade nicht produktneutral ausgeschrieben wird, sondern produktspezifisch. Dies dürfte auch den Gleichbehandlungs- und den Wettbewerbsgrundsatz verletzen, was Sie ebenfalls rügen könnten. Außerdem gibt es ein paar Bestimmungen der VOB/A bzw. EU VOB/A, die ebenfalls verletzt sein könnten.
Aber was habe ich davon?
Wenn der Auftraggeber auf Ihre Rüge hin die Ausschreibung „öffnet“, können Sie möglicherweise die Produkte anbieten, die Sie selbst vorziehen. Zumal sich Ihnen in der Rügekommunikation mit dem Auftraggeber vielleicht ganz neue Perspektiven auftun. Auf einmal wird aus einer uninteressanten Ausschreibung ein echter Gewinn. Und wenn der Auftraggeber nicht mitmacht, rufen Sie eben kurz die Vergabenachprüfungsinstanzen an. Die Erfolgsaussichten sind bei einer verdeckten Produktspezifik gut. Denken Sie dabei immer daran: Der öffentliche Auftraggeber muss nach einer BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2011 zumindest die Anwaltskosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ersetzen, wenn die Rüge begründet ist. Und er macht es auch meistens. Oftmals auch ohne zu murren.
*Dieser Rechtstipp ersetzt keinen anwaltlichen Rat im Einzelfall. Er ist naturgemäß unvollständig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezogen und stellt zudem eine Momentaufnahme dar, da sich gesetzliche Grundlagen und Rechtsprechung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denkbaren Konstellationen abdecken, dient Unterhaltungs- und Erstorientierungszwecken und soll Sie zur frühzeitigen Abklärung von Rechtsfragen motivieren, nicht aber davon abhalten.