Unser Rechtsanwalt Dr. Ferdinand Moors hat sich am 23. Mai 2025 in einem abante live zum Vergaberecht mit dem Urteil des Verwaltungsgericht (VG) Gießen vom 11. Dezember 2023 (Az.: 4 K 1641/22) befasst.
Das Verwaltungsgericht Gießen entschied am 11. Dezember 2023 mit Urteil (Az.: 4 K 1641/22), dass es nicht auf die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten über die Einhaltung von Fördermittelvorgaben ankommt. Ein objektiver Vergaberechtsverstoß ist für den Widerruf einer Förderbewilligung ausreicht.
Unser Video zur Urteilsbesprechung: Widerruf von Fördermitteln – Objektiver Vergaberechtsverstoß reicht!
Sachverhalt:
Der Kläger erhielt für das Jahr 2017 eine institutionelle Förderung der Beklagten. Ende 2017 entschied wurde auf der Mitgliederversammlung des Klägers entschieden, keine weitere institutionelle Förderung zu beantragen. Kurz darauf beauftragte der Kläger – ohne Durchführung eines eines Vergabeverfahrens – eine dritte GmbH mit der Ausübung von Pressearbeit ab dem 1. Januar 2018.
Im Oktober 2018 stellte der Kläger doch einen Antrag auf Wiederaufnahme in die institutionelle Förderung mit Rückwirkung für das gesamte Jahr 2018. Nach Vorgesprächen zwischen Kläger und Beklagten erhielt der Kläger eine positive Nachricht: Die Bewilligung durch den Beklagten erfolgte mit Bescheid vom 19. Dezember 2018. Die Auszahlung der Mittel unterlag den “Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur institutionellen Förderung” (kurz: ANBest‑I).
2020 wurde der Verwendungsnachweis durch den Beklagten überprüft. Im Juli 2022 widerrief die Behörde teilweise den Bewilligungsbescheid und forderte rund 13.700 Euro zurück. Grund war u. a. die direkte Beauftragung der GmbH ohne wettbewerbliches Verfahren. Der Kläger erhob daraufhin Klage gegen den Rückzahlungsbescheid.
Kernpunkt der Entscheidung: Kein Raum für wohlwollende Auslegung
Das VG Gießen erkannte den objektiven Verstoß gegen die vergaberechtlichen Bestimmungen der ANBest‑I als hinreichend für einen Widerruf an. Das Gericht stellte klar:
- Die ANBest‑I gelten auch rückwirkend, dadie Förderung für das gesamte Jahr bewilligt wurde.
- Die Nichtdurchführung eines Vergabeverfahrens durch die direkte Beauftragung der GmbH war ein schwerer Verstoß gegen geltende Vergabebestimmungen.
- Der Widerruf war fristgerecht, da die Jahresfrist gemäß § 49 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 HVwVfG erst nach Abschluss des Anhörungsverfahrens beginnt.
- Die Behörde hatte ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt.
Ein subjektives Verschulden sei für den Tatbestand des Widerrufs nicht erforderlich. Der Widerruf stützt sich auf den objektiven Pflichtverstoß. Auch führt der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hier nicht zur Unwirksamkeit des Widerrufs, da die Behörde im Bewilligungsbescheid ausdrücklich eine abschließende Prüfung vorbehalten hatte und es nicht abschließend geklärt werden konnte, ob die Behörde von der unmittelbaren Beauftragung der GmbH vor der Bewilligung der Fördermittel Kenntnis hatte.
Tipps für öffentliche Auftraggeber:
- Sicherstellen, dass ANBest‑I bei rückwirkender Bewilligung vollständig und eindeutig einbezogen sind Prüfverfahren und Anhörung sorgfältig dokumentieren
- Auf die Wahrung des vorrangig geltenden haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit achten
Tipps für Bieter und Zuwendungsempfänger:
- Auch bei zeitweisem Ausstieg aus der Förderung: auf mögliche Rückwirkung achten
- Vergaberechtskonformität auch bei vermeintlich „freien“ Beauftragungen sicherstellen, wenn eine Förderung langfristig nicht ausgeschlossen wird
- Auf dokumentierte Zustimmung des Zuwendungsgebers achten, keine stillschweigende Annahme unterstellen
- Verwendungsnachweise frühzeitig und vollständig übermitteln
Weitere Einblicke und detaillierte Erläuterungen zu diversen Entscheidungen finden Sie in unseren anderen Videos auf dem YouTube-Kanal abante Rechtsanwälte. Schauen Sie sehr gern vorbei!