Was Sozi­al­wirt­schafts­un­ter­neh­men tun kön­nen, wenn ihnen der Zuschlag wegen angeb­li­cher Schlecht­leis­tung in frü­he­ren Auf­trä­gen und angeb­lich zu nied­ri­gen Prei­sen vor­ent­hal­ten wer­den soll

1.Vergabekammer des Bun­des, Beschluss vom 03.03.2022, Az.: VK 1 – 15/2

Leit­sät­ze

Pau­scha­le Rück­schlüs­se auf eine feh­len­de Kos­ten­de­ckung oder eine gerin­ge­re Qua­li­tät sind jeden­falls ohne wei­te­re hin­zu­tre­ten­de Anhalts­punk­te unzu­läs­sig.

Frü­he­re Schlecht­leis­tun­gen am Maß­nah­men­ort las­sen kei­ne Rück­schlüs­se auf eine ver­ga­be­rechts­wid­ri­ge Preis­kal­ku­la­ti­on zu.

Die Anfor­de­run­gen erge­ben sich aus den aus­ge­schrie­be­nen Maß­nah­men und nicht aus Vor­gän­ger­maß­nah­men.

Sach­ver­halt

Gegen­stand des Nach­prü­fungs­ver­fah­rens ist eine Ver­ga­be im offe­nen Ver­fah­ren für einen „Rah­men­ver­trag über die Durch­füh­rung der Assis­tier­ten Aus­bil­dung fle­xi­bel“ des Auf­trag­ge­bers. Es han­delt sich dabei um eine bedarfs­be­zo­ge­ne För­de­rung von jun­gen Men­schen und deren Aus­bil­dungs­be­trie­ben bei der betrieb­li­chen Aus­bil­dung. Die zu erbrin­gen­den Leis­tung ist in zwei Pha­sen auf­ge­teilt. In der Vor­pha­se soll je Teil­neh­mer­platz ver­gü­tet wer­den und in der beglei­ten­den Pha­se pro Zeit­stun­de. Für die Vor­pha­se war in den Ver­ga­be­un­ter­la­gen ein bestimm­ter Per­so­nal­schlüs­sel für Aus­bil­dungs­be­glei­ter und Sozi­al­päd­ago­gen vom Auf­trag­ge­ber vor­ge­ge­ben. In der beglei­ten­den Pha­se ist nur für das Unter­stüt­zungs­ele­ment ein Per­so­nal­schlüs­sel genannt. Die Wer­tung erfolg­te anhand des Prei­ses und qua­li­ta­ti­ver Wer­tungs­kri­te­ri­en wie bspw. die bis­he­ri­gen Erfol­ge und Qua­li­tät ähn­li­cher Maß­nah­men.

Die Antrag­stel­le­rin und die Bei­gela­de­ne gaben frist­ge­recht jeweils ein Ange­bot ab. Das Ange­bot der Antrag­stel­le­rin lag preis­lich zwar weni­ger als 20% vom nächst­hö­he­ren Ange­bot ent­fernt, den­noch führ­te der Auf­trag­ge­ber eine Kal­ku­la­ti­ons­prü­fung durch, da der Gesamt­preis der Bei­gela­de­nen unter dem Schätz­wert des Auf­trag­ge­bers lag.

Der Antrag­stel­le­rin wur­de im Vor­ab­in­for­ma­ti­ons­schrei­ben nach § 134 GWB mit­ge­teilt, dass ihr Ange­bot nicht bezu­schlagt wer­den sol­le, da es nicht das wirt­schaft­lichs­te sei. Viel­mehr sol­le die Bei­gela­de­ne den Zuschlag erhal­ten. Dar­auf­hin rüg­te die Antrag­stel­le­rin, dass ihr Ange­bot qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ger sei und der Los­preis der Bei­gela­de­nen nicht aus­kömm­lich sein kön­ne, da die Bei­gelan­de ins­be­son­de­re nicht mit dem erfor­der­li­chen Per­so­nal kal­ku­liert habe. Der Rüge wur­de durch den Auf­trag­ge­ber nicht abge­hol­fen. Daher stell­te die Antrag­stel­le­rin einen Nach­prü­fungs­an­trag, in dem zuletzt nur noch gel­tend gemacht wur­de, dass das Ange­bot der Bei­gela­de­nen nicht aus­kömm­lich sein kön­ne.

Recht­li­che Wür­di­gung

Die Ver­ga­be­kam­mer sah den Nach­prü­fungs­an­trag als unbe­grün­det an, da die Prü­fung des Ange­bots­prei­ses der Bei­gela­de­nen ver­ga­be­rechts­kon­form erfolgt sei. Der Auf­trag­ge­ber habe den Ange­bots­preis zu Recht und ord­nungs­ge­mäß geprüft. Die Auf­greif­schwel­le der Recht­spre­chung von einer Abwei­chung von 20% zum nächs­ten Ange­bot sei zwar noch nicht erreicht, jedoch sei der Auf­trag­ge­ber inter­nen Vor­ga­ben nach­ge­kom­men. Aus der Ver­ga­be­ak­te erge­be sich, dass die Bei­gela­de­ne kal­ku­la­ti­ons­re­le­van­te Vor­ga­ben ein­ge­hal­ten habe. Bei den Per­so­nal­kos­ten sei­en sowohl Kos­ten für Aus­bil­dungs­lei­ter, Sozi­al­päd­ago­gen und Hono­rar­kräf­te berück­sich­tigt. Zeit­auf­schlä­ge für Vor- und Nach­be­ar­bei­tungs­leis­tun­gen und Sozi­al­ne­ben­kos­ten für eine Ver­tre­tung bei Abwe­sen­heit sei­en in die Kal­ku­la­ti­on ein­ge­flos­sen. Zusätz­lich sei­en Kos­ten für die Raum­mie­te, IT-Aus­stat­tung, Lehr- und Lern­mit­tel sowie Ver­wal­tungs­ge­mein­kos­ten berück­sich­tig wor­den. Die von der Antrag­stel­le­rin ange­mahn­te Prü­fung der Ange­mes­sen­heit des Ange­bots der Bei­gela­de­nen habe der Auf­trag­ge­ber durch­ge­führt. Dabei sei vor allem auch zu berück­sich­ti­gen, dass, anders als die Antrag­stel­le­rin mei­ne, eine frü­he­re Schlecht­leis­tung am Maß­nah­men­ort, die nach der Ansicht der Antrag­stel­le­rin auf einer unan­ge­mes­sen nied­ri­gen Ange­bots­be­prei­sung beru­he, per se kein Anhalts­punkt für eine ver­ga­be­rechts­wid­ri­ge Preis­kal­ku­la­ti­on sei. Die Aus­gangs­the­se der Antrag­stel­le­rin, die ihre eige­ne Kal­ku­la­ti­on als Beur­tei­lungs­maß­stab her­an­ge­zo­gen habe, sei falsch, da auch noch ein wei­te­res Ange­bot güns­ti­ger gewe­sen sei als das der Antrag­stel­le­rin. Soweit die Antrag­stel­le­rin ihre Argu­men­ta­ti­on auf frü­he­re Maß­nah­men des Auf­trag­ge­bers stüt­ze, sei zu bean­stan­den, dass nicht ohne wei­te­res von einem gleich­blei­ben­den Bedarf aus­ge­gan­gen wer­den dür­fe. Zudem ergä­ben sich die zu berück­sich­ti­gen­den Anfor­de­run­gen aus den aus­ge­schrie­be­nen Vor­ga­ben und nicht aus Vor­gän­ger­maß­nah­men. Der gerin­ge Preis der Bei­gela­de­nen erklä­re sich durch eine nied­ri­ge­re Stun­den­ver­gü­tung, die jedoch dem gesetz­lich vor­ge­schrie­ben Min­dest­ent­gelt ent­spre­che, und den gerin­gen Raum­kos­ten, die mög­lich sei­en, da die Bei­gela­de­ne kei­nen Gewinn erwirt­schaf­ten müs­se. Es unter­lie­ge der unter­neh­me­ri­schen Dis­po­si­ti­on, wel­che Stun­den­sät­ze mit dem Per­so­nal ver­ein­bart wür­den, und stel­le kei­nen Anhalts­punkt für eine feh­len­de Kos­ten­de­ckung oder eine gerin­ge Qua­li­tät dar.

Fazit

Auf­trag­ge­ber dür­fen das Ange­bot auch dann auf Aus­kömm­lich­keit prü­fen, wenn der Abstand zum Zweit­plat­zier­ten klei­ner als 20% ist. Aus­rei­chend, aber auch erfor­der­lich kön­nen dann ande­re Indi­zi­en für eine unge­wöhn­li­che Nied­rig­keit sein.

Lässt sich das Sozi­al­wirt­schafts­un­ter­neh­men dann jedoch aus­führ­lich ein, legt es sei­ne Kal­ku­la­ti­ons­an­nah­men offen und ben­nent es die Grün­de, war­um es in der Lage ist, so güns­tig anzu­bie­ten, wird es sehr schwer, von einer Unaus­kömm­lich­keit aus­zu­ge­hen und das Ange­bot aus­zu­schlie­ßen. Angeb­li­che Schlecht­leis­tun­gen in der Ver­gan­gen­heit dür­fen dann jeden­falls nicht kri­tik­los her­an­ge­zo­gen wer­den, um eine angeb­li­che Unaus­kömm­lich­keit zu begrün­den.

*Die­ser Rechts­tipp ersetzt kei­nen anwalt­li­chen Rat im Ein­zel­fall. Er ist natur­ge­mäß unvoll­stän­dig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezo­gen und stellt zudem eine Moment­auf­nah­me dar, da sich gesetz­li­che Grund­la­gen und Recht­spre­chung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denk­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen abde­cken, dient Unter­hal­tungs- und Erst­ori­en­tie­rungs­zwe­cken und soll Sie zur früh­zei­ti­gen Abklä­rung von Rechts­fra­gen moti­vie­ren, nicht aber davon abhal­ten.

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