Wann darf der (pri­va­te oder öffent­li­che) Auf­trag­ge­ber bei dro­hen­der Insol­venz den Ver­trag mit sei­nem Auf­trag­neh­mer oder Lie­fe­ran­ten been­den?

I. Ein­lei­tung 

Für pri­va­te und öffent­li­che Auf­trag­ge­ber von Bau­leis­tun­gen, aber auch von IT-Dienst­leis­tun­gen, sons­ti­gen Dienst­leis­tun­gen (z.B. Schü­ler­be­för­de­rung, Gebäu­de­rei­ni­gung, Wach- und Sicher­heits­dienst­leis­tun­gen) und Lie­fer­leis­tun­gen aller Art fragt sich: Was tun, wenn die Insol­venz des Auf­trag­neh­mers droht? Muss man den Ver­trag „lau­fen las­sen“ und abwar­ten, wie sich der (vor­läu­fi­ge) Insol­venz­ver­wal­ter ver­hält, und sich anschlie­ßend auch dar­an hal­ten? Oder kann man vor­pre­schen, den Ver­trag mit sofor­ti­ger Wir­kung been­den und, wenn eine Aus­schrei­bungs­pflicht besteht, neu ver­ge­ben? 

Die Ver­trags­ord­nun­gen, die durch Bezug­nah­me im Regel­fall in die Ver­trä­ge ein­be­zo­gen sind, geben nur dem ers­ten Anschein nach eine eini­ger­ma­ßen kla­re Ant­wort. Kurz gefasst, kann der Auf­trag­ge­ber den Bau­ver­trag nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B kün­di­gen, wenn das Insol­venz­ver­fah­ren (§§ 14 und 15 InsO) oder ein ver­gleich­ba­res gesetz­li­ches Ver­fah­ren bean­tragt ist oder ein sol­ches Ver­fah­ren eröff­net wird oder des­sen Eröff­nung man­gels Mas­se abge­lehnt wird. Ent­spre­chend lau­tet § 8 VOL/B, der regel­mä­ßig bei Lie­fer- und Dienst­leis­tungs­auf­trä­gen in den Ver­trag ein­be­zo­gen ist. Danach kann der Auf­trag­ge­ber vom Ver­trag zurück­tre­ten oder den Ver­trag mit sofor­ti­ger Wir­kung kün­di­gen, wenn über das Ver­mö­gen des Auf­trag­neh­mers das Insol­venz­ver­fah­ren oder ein ver­gleich­ba­res gesetz­li­ches Ver­fah­ren eröff­net oder die Eröff­nung bean­tragt oder die­ser Antrag man­gels Mas­se abge­lehnt wor­den ist. Die Recht­spre­chung weicht jedoch teil­wei­se ab von die­sen Rege­lun­gen. Sie ist auch kei­nes­wegs als abschlie­ßend zu bezeich­nen, son­dern für unter­schied­li­che Ver­trags­ar­ten geson­dert aus­zu­wer­ten. 

II. Pro­blem 

Die vor­ge­nann­ten Rege­lun­gen ken­nen noch wei­te­re Fäl­le der außer­or­dent­li­chen Kün­di­gung, doch die auf die Insol­venz bzw. dro­hen­de Insol­venz bezo­ge­ne Lösungs­mög­lich­keit vom Ver­trag ist die umstrit­tens­te. Pro­ble­ma­tisch ist, ob die­se Kün­di­gungs­re­ge­lun­gen gegen § 119 InsO ver­sto­ßen. Hier­nach sind Ver­ein­ba­run­gen, wel­che im Vor­aus die Anwen­dung der §§ 103–118 InsO aus­schlie­ßen oder auch nur beschrän­ken, unwirk­sam. Vor allem § 103 InsO berei­tet Kopf­schmer­zen. Dort ist das soge­nann­te Erfül­lungs­wahl­recht des Insol­venz­ver­wal­ters gere­gelt. Der Insol­venz­ver­wal­ter soll die Insol­venz­mas­se anrei­chern kön­nen und des­halb die Wahl haben, ob er den Ver­trag been­det oder erfüllt. Die Fra­ge ist: Wird die­ses Wahl­recht des Insol­venz­ver­wal­ters, das zum Schutz aller Gläu­bi­ger besteht, nicht unter­lau­fen? Schließ­lich erlau­ben es die o.g. Kün­di­gungs­rech­te den ein­zel­nen Auf­trag­ge­ber, sich vom Ver­trag mit dem insol­ven­ten oder dem­nächst insol­ven­ten Auf­trag­neh­mer zu lösen. 

Das Pro­blem ist wirt­schaft­lich bedeu­tend. Denn wird die außer­or­dent­li­che Kün­di­gung zu Unrecht erklärt und von der Recht­spre­chung also nicht aner­kannt, muss der Auf­trag­ge­ber dem Auf­trag­neh­mer bzw. des­sen Insol­venz­ver­wal­ter mög­li­cher­wei­se nicht nur die erbrach­ten Leis­tun­gen ver­gü­ten. Viel­mehr muss er dann auch die Ver­gü­tung für nicht erbrach­te Leis­tun­gen bezah­len, abzüg­lich erspar­ter Auf­wen­dun­gen. Denn der Auf­trag­neh­mer hat bei unwirk­sa­mer außer­or­dent­li­cher Kün­di­gung des Auf­trag­ge­bers wei­ter­hin das Recht, sei­ne Leis­tun­gen zu den ver­ein­bar­ten Bedin­gun­gen zu erbrin­gen – zumin­dest wenn sich der Insol­venz­ver­wal­ter für die Erfül­lung des Ver­trags ent­schei­det. Für pri­va­te und öffent­li­che Auf­trag­ge­ber ist also die unbe­rech­tig­te außer­or­dent­li­che Kün­di­gung auf Basis einer insol­venz­ab­hän­gi­gen Lösungs­klau­sel eine ech­te Haf­tungs­fal­le. Sie soll­te gut über­legt sein. 

III. Recht­spre­chung 

Unter­schied­li­che Sena­te des Bun­des­ge­richts­hofs haben sich mit dem Pro­blem befasst. Für Auf­trag­ge­ber, die die Erklä­rung einer außer­or­dent­li­chen Kün­di­gung erwä­gen, eben­so wie Insol­venz­ver­wal­ter, die sich dage­gen weh­ren möch­ten, ist die Kennt­nis die­ser Recht­spre­chung bedeut­sam. 

1. BGH, Urteil vom 15.11.2012 – IX ZR 169/11 (Ener­gie­lie­fe­rungs­ver­trag) 

a) Sach­ver­halt 

Den Anfang macht der IX. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs. Er hat­te einen Ver­trag über die Lie­fe­rung elek­tri­scher Ener­gie zu beur­tei­len. Die­ser Ver­trag ent­hielt fol­gen­de Klau­sel: „Der Ver­trag endet auch ohne Kün­di­gung auto­ma­tisch, wenn der Kun­de einen Insol­venz­an­trag stellt oder auf­grund eines Gläu­bi­ger­an­tra­ges das vor­läu­fi­ge Insol­venz­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet oder eröff­net wird.“ 

Der vor­läu­fi­ge Insol­venz­ver­wal­ter des Schuld­ners ver­trat nun die Ansicht, dass die­se Rege­lung unwirk­sam sei und der Ver­trag nicht infol­ge der Insol­venz­be­an­tra­gung geen­det habe. Dies war finan­zi­ell bedeut­sam, denn nach dem neu­en Ver­trag, der dem Insol­venz­ver­wal­ter für den offen­bar benö­tig­ten Strom ange­bo­ten wor­den war, muss­te er eini­ges mehr bezah­len. Der alte Ver­trag war finan­zi­ell schlicht attrak­ti­ver, daher hat­te der vor­läu­fi­ge Insol­venz­ver­wal­ter ein wirt­schaft­li­ches Inter­es­se dar­an, auf des­sen Fort­be­stand zu pochen. 

b) Recht­li­che Wür­di­gung 

Der 9. Senat sah es so wie der vor­läu­fi­ge Insol­venz­ver­wal­ter des Auf­trag­neh­mers. Bei der o.g. Klau­sel hand­le es sich um eine insol­venz­ab­hän­gi­ge Lösungs­klau­sel. Eine sol­che lie­ge immer vor, wenn einer der Par­tei­en für den Fall der Zah­lungs­ein­stel­lung, des Insol­venz­an­tra­ges oder der Insol­venz­er­öff­nung das Recht ein­ge­räumt wer­de, sich vom Ver­trag zu lösen, oder wenn der Ver­trag wie im vom BGH ent­schie­de­nen Fall unter der auf­lö­sen­den Bedin­gung des Ein­tritts die­ser insol­venz­be­zo­ge­nen Umstän­de ste­he.  

Der 9. Senat setzt sich sodann mit dem Mei­nungs­streit in Recht­spre­chung und Lite­ra­tur aus­ein­an­der. Im Ergeb­nis gelangt er zur Annah­me, dass die Klau­sel unwirk­sam sei, wenn „das Schuld­ver­hält­nis auf eine fort­lau­fen­de Lie­fe­rung von Waren oder – wie hier – Ener­gie gerich­tet“. Die Kern­er­wä­gung des Gerichts lau­tet, dass es der Zweck des Erfül­lungs­wahl­rechts sei, die Mas­se zu schüt­zen und im Inter­es­se einer gleich­mä­ßi­gen Gläu­bi­ger­be­frie­di­gung zu meh­ren. Die­ser Zweck kön­ne ver­ei­telt wer­den, wenn sich der Ver­trags­part­ner des Schuld­ners allein wegen der Insol­venz von einem für die Mas­se güns­ti­gen Ver­trag lösen kön­ne. 

2. BGH, Urteil vom 07.04.2016 – VII ZR 56/15 (Bau­ver­trag) 

Im Ergeb­nis mög­li­cher­wei­se abwei­chend beur­teilt dies der 7. Senat des Bun­des­ge­richts­hofs, der Bau­se­nat, und zwar natur­ge­mäß für einen Bau­ver­trag und nicht für einen Strom­lie­fer­ver­trag.  

a) Sach­ver­halt 

Ein Gene­ral­un­ter­neh­mer bean­trag­te die Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens über sein eige­nes Ver­mö­gen. Der Bau­herr erklär­te dar­auf­hin die außer­or­dent­li­che Kün­di­gung mit sofor­ti­ger Wir­kung und beauf­trag­te im Anschluss Dritt­un­ter­neh­men damit, das Vor­ha­ben fer­tig­zu­stel­len. Wegen der Mehr­kos­ten nahm der Bau­herr sodann den Bür­gen aus einer Ver­trags­er­fül­lungs­bürg­schaft in Anspruch.  

b) Recht­li­che Wür­di­gung 

Wäh­rend das Beru­fungs­ge­richt noch auf Linie des 9. Senats ent­schied und die außer­or­dent­li­che Kün­di­gung als unwirk­sam ansah, beur­teil­te der 7. Senat des Bun­des­ge­richts­hofs dies anders. § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B ver­let­ze nicht §§ 103, 119 InsO. Zwar knüp­fe die insol­venz­ab­hän­gi­ge Lösungs­klau­sel Rechts­fol­gen an die Kün­di­gung, die bei einer jeder­zeit mög­li­chen frei­en Kün­di­gung nicht ein­tre­ten. Es sei­en nur die bereits aus­ge­führ­ten Leis­tun­gen zu ver­gü­ten, sodass der Auf­trag­neh­mer für die nicht erbrach­ten Leis­tun­gen gera­de nicht die ver­ein­bar­te Ver­gü­tung abzüg­lich des­je­ni­gen, was er infol­ge der Auf­he­bung des Ver­trags an Auf­wen­dun­gen erspa­re oder durch ander­wei­ti­ge Ver­wen­dung sei­ner Arbeits­kraft erwer­be oder zu erwer­ben bös­wil­lig unter­las­se, ver­lan­gen kön­ne.  

Dies sei aber im Ergeb­nis unbe­acht­lich. So setzt sich der Bun­des­ge­richts­hof inten­siv mit den bei­den Ansich­ten aus­ein­an­der und erkennt schließ­lich dar­auf, dass die insol­venz­ab­hän­gi­ge Lösungs­klau­sel wirk­sam sei. Das Werk­ver­trags­recht ken­ne immer­hin ein frei­es, jeder­zei­ti­ges Kün­di­gungs­recht des Auf­trag­ge­bers. Auch ent­spre­che das insol­venz­ab­hän­gi­ge Lösungs­recht der beson­de­ren Inter­es­sen­la­ge am Bau. 

Der Senat nimmt eine umfas­sen­de Inter­es­sen­ab­wä­gung vor. Anders als bei ande­ren Gläu­bi­gern („ins­be­son­de­re Waren­lie­fe­ran­ten“, womit der o.g. Fall aus 2012 gemeint ist) habe der Auf­trag­ge­ber eines Bau­ver­trags „regel­mä­ßig ein schwer­wie­gen­des, die Inter­es­sen der Insol­venz­gläu­bi­ger an einer Fort­füh­rung des Bau­ver­trags erheb­lich über­wie­gen­des Inter­es­se dar­an, sich im Fal­le des Eigen­in­sol­venz­an­trags des Auf­trag­neh­mers früh­zei­tig vom Ver­trag lösen zu kön­nen und den ihm durch die ander­wei­ti­ge Ver­ga­be der Rest­ar­bei­ten etwa ent­ste­hen­den Scha­den gel­tend zu machen, ohne gemäß § 649 Satz 2 BGB gegen­über dem Insol­venz­ver­wal­ter zur Zah­lung einer Ver­gü­tung für nicht erbrach­te Leis­tun­gen ver­pflich­tet zu sein.“ 

Unter den vie­len Erwä­gun­gen, die der BGH nun vor­bringt, sticht her­vor, dass es dem Auf­trag­ge­ber nun mal auch auf die per­sön­li­chen Fähig­kei­ten des Bau­un­ter­neh­mens ankom­me, dass er dar­in beson­de­res Ver­trau­en inves­tiert habe, und dass die insol­venz­be­ding­ten Ver­zö­ge­run­gen am Bau nicht hin­ge­nom­men wer­den könn­ten. Dies füh­re dazu, dass der Bau­ver­trag in die­ser Hin­sicht nicht ver­gleich­bar sei mit „Verträge[n] über die fort­lau­fen­de Lie­fe­rung von Waren oder Ener­gie“. Der Geld­leis­tungs­gläu­bi­ger (der Lie­fe­rant, Händ­ler etc.) hat die­ses Ver­trau­en gera­de nicht inves­tiert. 

 

3. BGH, Urteil vom 14.09.2017 – IX ZR 261/15 (Werk­lie­fe­rungs­ver­trag) 

a) Sach­ver­halt 

Der 9. Senat kam wenig spä­ter wie­der zum Zuge. Dies­mal hat­te er einen Werk­lie­fe­rungs­ver­trag zu beur­tei­len. Der kla­gen­de Insol­venz­ver­wal­ter ver­wal­te­te das Ver­mö­gen eines Lie­fe­ran­ten von Metall­guss­tei­len. Kaum bestellt, mach­te der vor­läu­fi­ge Insol­venz­ver­wal­ter wei­te­re Lie­fe­run­gen von einem Preis­auf­schlag abhän­gig. Der bis­he­ri­ge Abneh­mer sag­te dies zunächst zu, erklär­te dann jedoch, unter die­sen Bedin­gun­gen nicht wei­ter belie­fert wer­den zu wol­len. Wor­auf­hin der kla­gen­de Insol­venz­ver­wal­ter den ver­ein­bar­ten Werk­lohn abzüg­lich erspar­ter Auf­wen­dun­gen für die bestell­ten, aber nicht abge­nom­me­nen Metall­guss­tei­le gericht­lich gel­tend mach­te. 

b) Recht­li­che Wür­di­gung 

Das war erfolg­reich. Der Bun­des­ge­richts­hof ent­schied, der Abneh­mer habe den zustan­de gekom­me­nen Werk­lie­fe­rungs­ver­trag frei gekün­digt und müs­se daher den ver­ein­bar­ten Lohn auch für die nicht abge­nom­me­nen Metall­guss­tei­le bezah­len, frei­lich unter Abzug erspar­ter Auf­wen­dun­gen. Die außer­or­dent­li­che Kün­di­gung des Abneh­mers sei hin­ge­gen unwirk­sam gewe­sen.  

Der Senat grenzt sei­nen Fall wie­der­um von den bereits ent­schie­de­nen Fäl­len ab. Anders als im o.g. Bau­ver­trags-Fall wer­de die Kün­di­gung nicht auf den Eigen­in­sol­venz­an­trag des Schuld­ners gestützt. Auch grei­fe das Argu­ment nicht ein, Ver­zö­ge­run­gen könn­ten nicht hin­ge­nom­men wer­den und der Auf­trag­neh­mer neh­me beson­de­res Ver­trau­en in sei­ne Leis­tungs­fä­hig­keit in Anspruch. Denn der Auf­trag­ge­ber hat­te – in Kennt­nis des bereits gestell­ten Insol­venz­an­trags – neue Ver­trä­ge mit dem vor­läu­fi­gen Insol­venz­ver­wal­ter geschlos­sen. Auch das spä­ter eröff­ne­te Insol­venz­ver­fah­ren kön­ne des­halb nicht mehr als Grund her­an­ge­zo­gen wer­den. Der Gläu­bi­ger sei nur noch dazu berech­tigt gewe­sen, den Insol­venz­ver­wal­ter zur Aus­übung sei­nes Wahl­rechts auf­zu­for­dern. Ent­schei­de sich der Insol­venz­ver­wal­ter dann jedoch für eine Erfül­lung der Ver­trä­ge, so sei der Ver­trag wie ver­ein­bart durch­zu­füh­ren. Die gleich­wohl erfolg­te Kün­di­gung des Auf­trag­ge­bers sei als freie Kün­di­gung zu inter­pre­tie­ren mit den o.g. unan­ge­neh­men wirt­schaft­li­chen Fol­gen für den Auf­trag­ge­ber. 

4. BGH, Urteil vom 27.10.2022 – IX ZR 213/23 (Schü­ler­be­för­de­rung) 

a) Sach­ver­halt 

Den vor­läu­fi­gen Abschluss der Recht­spre­chungs­ent­wick­lung bil­det erneut eine Ent­schei­dung des 9. Senats. Der Schuld­ner war ein Bus­un­ter­neh­mer und hat­te ins­ge­samt fünf Ver­trä­ge über die Beför­de­rung von Schü­lern geschlos­sen. In die­se Ver­trä­ge war die VOL/B – wie regel­mä­ßig – in Gän­ze ein­be­zo­gen. Nach­dem er Eigen­in­sol­venz­an­trag gestellt hat­te und ein vor­läu­fi­ger Insol­venz­ver­wal­ter bestellt wor­den war, kün­dig­te der Schul­trä­ger die Ver­trä­ge unter Hin­weis auf die insol­venz­ab­hän­gi­ge Lösungs­klau­sel in den VOL/B. Dies nahm der vor­läu­fi­ge Insol­venz­ver­wal­ter nicht hin und klag­te die ver­ein­bar­te Ver­gü­tung abzüg­lich erspar­ter Auf­wen­dun­gen ein. 

b) Recht­li­che Wür­di­gung 

Nach­dem noch das Beru­fungs­ge­richt der Ansicht gewe­sen war, dass außer­halb des Bau­ver­trags­rechts eine insol­venz­ab­hän­gi­ge Kün­di­gungs­mög­lich­keit nicht aner­kannt wer­den kön­ne, zeig­te der 9. Senat des Bun­des­ge­richts­hofs Par­al­le­len zum Bau­ver­trag auf – und hielt die Kün­di­gung des Schul­trä­gers für mög­li­cher­wei­se wirk­sam, was die Vor­in­stanz nun noch mal auf­zu­klä­ren habe. 

Hier­zu nahm der Senat eine umfas­sen­de Her­lei­tung und Abwä­gung vor. Die­se gip­fel­te in der Fest­stel­lung, dass eine Beru­fung auf eine insol­venz­ab­hän­gi­ge Lösungs­klau­sel „bei objek­ti­ver Betrach­tung der wech­sel­sei­ti­gen Inter­es­sen der Par­tei­en aus der Sicht ex ante bei Ver­trags­schluss“ dann unzu­läs­sig sei, wenn „kei­ne berech­tig­ten Grün­de für eine sofor­ti­ge Auf­lö­sungs­mög­lich­keit allein auf­grund des Insol­venz­falls in Betracht kom­men“. Inso­weit kom­me es auch dar­auf an, ob die Insol­venz des Ver­trags­part­ners zu einer Risi­ko­er­hö­hung für den ande­ren Ver­trags­part­ner füh­re. Dies sei etwa dann der Fall, wenn Umstän­de gege­ben sei­en, nach denen die Zuver­läs­sig­keit des Schuld­ners erheb­li­che Bedeu­tung für die wei­te­re Leis­tungs­er­brin­gung habe. So sei es nicht nur beim Bau­ver­trag. Dies gel­te viel­mehr auch dann, wenn der Gläu­bi­ger damit rech­nen müs­se, dass die Durch­set­zung von Gewähr­leis­tungs­an­sprü­chen nicht aus­rei­chend gesi­chert erschei­ne, oder wenn der Gläu­bi­ger ein nicht mehr gesi­chert erschei­nen­des Inter­es­se an zusätz­li­chen Leis­tun­gen des Schuld­ners – z.B. War­tungs­leis­tun­gen – habe. Beson­ders zu betrach­ten sei­en auch Ver­trä­ge, die als Teil einer Sanie­rung des Schuld­ners zu begrei­fen sei­en. Dann kön­ne die insol­venz­ab­hän­gi­ge Lösungs­klau­sel als Abmil­de­rung des Risi­kos des Schei­terns anzu­se­hen sein. Aber auch unab­hän­gig von einer Sanie­rung müs­se danach dif­fe­ren­ziert wer­den, ob gesetz­lich eine Kün­di­gung aus wich­ti­gem Grund zuläs­sig sei und ob der Ver­trag die wich­ti­gen Grün­de so aus­ge­stal­te, dass sie im Ergeb­nis einer „typi­sier­ten Inter­es­sen­be­wer­tung“ anzu­er­ken­nen sei­en. Schließ­lich müs­se eine Aus­übungs­kon­trol­le erfol­gen. Dabei sei zu fra­gen, ob der Kün­di­gungs­be­rech­tig­te berech­tig­te Belan­ge wahr­neh­me oder die Insol­venz dazu nut­ze, um höhe­re Prei­se durch­zu­set­zen, oder sich von einem Ver­trag zu lösen, des­sen Durch­füh­rung durch die Insol­venz gar nicht erschwert wer­de. 

Im kon­kre­ten Fall erläu­ter­te der Bun­des­ge­richts­hof, dass das Werk­ver­trags­recht auf Per­so­nen­be­för­de­rungs­ver­trä­ge anwend­bar sei, sodass dem Schul­trä­ger zumin­dest grund­sätz­lich das Recht zuge­stan­den habe, den Ver­trag gemäß § 648a BGB zu kün­di­gen. Durch die insol­venz­ab­hän­gi­ge Lösungs­klau­sel in den VOL/B sei mög­li­cher­wei­se der wich­ti­ge Grund i.S.d. § 648a BGB näher aus­ge­formt wor­den. So hät­te das Beru­fungs­ge­richt prü­fen müs­sen, ob der Schul­trä­ger „bei einer typi­sier­ten, objek­ti­ven Betrach­tung ex ante zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses ein berech­tig­tes Inter­es­se dar­an hat­te, mit der Ver­ein­ba­rung eines Insol­venz­er­eig­nis­ses als wich­ti­gem Grund Vor­sor­ge für eine all­ge­mein bei Per­so­nen­be­för­de­rungs­ver­trä­gen zur Schü­ler­be­för­de­rung mit einem Insol­venz­fall ein­her­ge­hen­de Risi­ko­er­hö­hung zu tref­fen.“ Auch „wie­der­hol­te Stö­run­gen der ord­nungs­ge­mä­ßen Beför­de­rung“ sowie eine etwa­ige Gefähr­dung „der aus­rei­chen­den Absi­che­rung gegen etwa­ige Unfall­schä­den bei der Schü­ler­be­för­de­rung“ sei­en abwä­gungs­er­heb­li­che Belan­ge. Gewähr­leis­tungs­rech­te spiel­ten hin­ge­gen kei­ne Rol­le. 

IV. Fazit 

Öffent­li­che Auf­trag­ge­ber müs­sen die VOB/B bzw. VOL/B regel­mä­ßig in ihre Ver­trä­ge ein­be­zie­hen. Das ist auch gut so, denn die­se Ver­trags­ord­nun­gen ent­hal­ten insol­venz­ab­hän­gi­ge Lösungs­klau­seln.  

Wenn eine insol­venz­ab­hän­gi­ge Lösungs­klau­sel ver­ein­bart wur­de, kommt es auf den Ein­zel­fall an. Der (pri­va­te oder öffent­li­che) Auf­trag­ge­ber muss vor allem prü­fen, ob eher eine Ana­lo­gie zu Bau­ver­trag und Schü­ler­be­för­de­rungs­ver­trä­gen oder eher eine Ana­lo­gie zur Ener­gie­lie­fer­ver­trä­gen gerecht­fer­tigt ist. Er wird auch sons­ti­ge, nicht insol­venz­spe­zi­fi­sche Umstän­de in sei­ne Ent­schei­dung ein­be­zie­hen, etwa ob eine wich­ti­ge Kün­di­gung mit sofor­ti­ger Wir­kung aus ande­ren Grün­den wirk­sam wäre. Dazu gehö­ren auch wirt­schaft­li­che Erwä­gun­gen mit pro­gnos­ti­schem Cha­rak­ter, näm­lich ob der dem­nächst insol­ven­te Auf­trag­neh­mer trotz allem die Gewähr einer Leis­tungs­fort­füh­rung bie­tet. Stets ist die vom BGH gefor­der­te typi­sier­te Inter­es­sen­be­wer­tung erfor­der­lich. 

Schnell­schüs­se des Auf­trag­ge­bers ver­bie­ten sich dem­ge­gen­über. Er soll­te einer­seits nicht all­zu lan­ge zuwar­ten oder gar neue Ver­trä­ge mit einem Auf­trag­neh­mer abschlie­ßen, der gera­de erst Insol­venz­an­trag gestellt hat, zumin­dest wenn er sich die insol­venz­ab­hän­gi­ge Ver­trags­lö­sung erhal­ten möch­te und kei­ne durch­grei­fen­den wirt­schaft­li­chen Grün­de dafür gel­tend machen kann. Ande­rer­seits soll­te er die Ent­schei­dung nicht über­stür­zen, denn sie ist recht­lich vor­aus­set­zungs­reich und kann wirt­schaft­lich weit­rei­chen­de Fol­gen haben. Letzt­lich emp­fiehlt sich also eine gründ­li­che anwalt­li­che Prü­fung sowie Ver­tre­tung im Ein­zel­fall. Sie allein gewähr­leis­tet die größt­mög­li­che Risi­ko­mi­ni­mie­rung für den ggf. kün­di­gungs­wil­li­gen Auf­trag­ge­ber. 

Die­ser Rechts­tipp ersetzt kei­nen anwalt­li­chen Rat im Ein­zel­fall. Er ist natur­ge­mäß unvoll­stän­dig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezo­gen und stellt zudem eine Moment­auf­nah­me dar, da sich gesetz­li­che Grund­la­gen und Recht­spre­chung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denk­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen abde­cken, dient Unter­hal­tungs- und Erst­ori­en­tie­rungs­zwe­cken und soll Sie zur früh­zei­ti­gen Abklä­rung von Rechts­fra­gen moti­vie­ren, nicht aber davon abhal­ten.

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