Die Barmer GEK, die Deutsche BKK, die Kaufmännische Krankenkasse und die Techniker Krankenkasse haben eine Arbeitsgemeinschaft nach § 94 Abs. 1 SGB X gegründet, um nach § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie sicher zu stellen.
Man merkt der Ausschreibung an, dass die Vorgänger-Ausschreibungen, insbesondere der AOK und der DAK gemeinsam mit GWQ, beobachtet wurden.
Für kleine und mittelständische Apotheken, die Bestandleistungserbringer sind und um den Verlust ihrer Stellung als Versorger der betroffenen Versicherten fürchten, ist zunächst die Regelung bedeutsam, dass ad-hoc-Lieferungen innerhalb von 2 Stunden erfolgen sollen. Diese Regelung ist großzügiger als die Regelung in den Ausschreibungen der DAK und der hinter GWQ stehenden Betriebskrankenkassen sowie der AOK. Sie wird somit eher zu einer Ausweitung des Bieterfeldes und dadurch zu einer verschärften Konkurrenz führen.
Anders als in anderen Ausschreibungen werden in der vorliegenden Ausschreibung bestimmte Wirkstoffe ausgeschlossen, wenn und soweit in der Fachinformation nach Rekonstitution eine sofortige Verwendung vorgeschrieben ist. Betroffen sind die Wirkstoffe Mitomycin, Melphalan und Dacarbazin. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Frage, ob die ausschreibenden Krankenkassen die Fachinformation als allein maßgeblich auch in puncto Haltbarkeit anerkennen. Die Frage ist rechtlich umstritten, eine gewisse Vorfestlegung – die im Vergabeverfahren durch interessierte Bieter zu überprüfen wäre – ist jedoch dem Ausschluss der vorbezeichneten Wirkstoffe zu entnehmen. Denn dieser Ausschluss wird gerade mit der Fachinformation begründet. Ist aber die Fachinformation nach Festlegung der ausschreibenden Krankenkassen bei der Belieferung der betroffenen Versicherten zu beachten, dann kommt es auf die eher abstrakten Streitereien über den rechtlichen Status der betreffenden Fachinformation nach unserem Dafürhalten nicht an, wenn und soweit erfolgreiche Bieter im konkreten Lieferverhältnis gegen die Fachinformation verstoßen. Die Fachinformation ist dann aufgrund der im Vergabeverfahren erfolgten und damit Vertragsbestandteil gewordenen Festlegung der ausschreibenden Kassen maßgeblich, und zwar nicht nur vertrags‑, sondern wohl auch wettbewerbsrechtlich.
Betroffene Apotheker sowie mit ihnen kooperierende Partner sollten vom Frage- und Rügerecht strategisch Gebrauch machen. Je nach Einzelfall kann es sinnvoll sein, beispielsweise zu erfragen und gegebenenfalls zu rügen, welcher Streckenverlauf zu Grunde gelegt wird, wenn im Rahmen der Angebotswertung überprüft wird, ob der Bieter innerhalb von 2 Stunden liefern kann oder nicht. Dies bewirkt eine Selbstbindung der ausschreibenden Arbeitsgemeinschaft, die in jenem späteren Vergabenachprüfungsverfahren überprüft werden kann. Auch kann es sinnvoll sein, im Wege von Bieterfragen gebietslosbezogen relevante Erkenntnisse zu transportieren.
Der Zuschlag soll im Dezember erfolgen, es besteht jedoch ein – anders als bei anderen Ausschreibungen – jährliches Kündigungsrecht. Das kann Fluch oder Segen für den Bieter sein.
Die gesetzgeberischen Bemühungen werden ungeachtet ihres Ausgangs wahrscheinlich zu spät kommen. Für den 19. Oktober 2016 ist ein Expertengespräch vor dem Gesundheitsausschuss geplant. Denkbar ist nach wie vor, dass beispielsweise im Entwurf des Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes Regelungen eingeführt werden, die Ausschreibungen in der gegenwärtigen Form untersagen. Dass solche Regelungen Rückwirkung entfalten und zum Beispiel ein außerordentliches Kündigungsrecht verleihen, halten wir für unwahrscheinlich. Derzeit ist noch nicht einmal klar, ob es eine Abweichung von der derzeitigen Praxis geben wird, und – wenn ja – wie eine solche Abweichung aussehen könnte. Zwei Wege sind im Gespräch: Nachbesserungen bei der Hilfstaxe oder Ausschreibung der Wirkstoffe.
Apotheker und ihre Partner, die Ausschreibungen der Herstellung und Lieferung von Zytostatika-Zubereitungen kritisch gegenüberstehen, sollten nicht auf Berlin hoffen, sondern sich aufs Erste mit der gegenwärtigen Praxis arrangieren. Das bedeutet, Marktchancen zu nutzen, die das Vergaberecht eröffnet. Das bedeutet darüber hinaus, im Rahmen des rechtlich zulässigen durch ein kluges Bieterverhalten auch und vor allem bestehende Gebietslose zu sichern. abante Rechtsanwälte ist im Vergaberecht spezialisiert, hat Erfahrungen mit Ausschreibungen der hier beschriebenen Art und steht Apotheken und ihren Partnern gerne zur Seite.
*Dieser Rechtstipp ersetzt keinen anwaltlichen Rat im Einzelfall. Er ist naturgemäß unvollständig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezogen und stellt zudem eine Momentaufnahme dar, da sich gesetzliche Grundlagen und Rechtsprechung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denkbaren Konstellationen abdecken, dient Unterhaltungs- und Erstorientierungszwecken und soll Sie zur frühzeitigen Abklärung von Rechtsfragen motivieren, nicht aber davon abhalten.