Ihr (nicht präqualifiziertes) Unternehmen ist augenscheinlich in die engere Wahl gelangt. Augenscheinlich, denn der öffentliche Auftraggeber will auf einmal lauter Nachweise von Ihnen sehen, die auf Ihre Organisation, Ihre Rechtstreue und Zuverlässigkeit etc. bezogen sind. Sie geraten in Hektik und Eile. Hätte man das nicht vorher wissen können?
Rechtliche Grundlagen
Wenn es Ihnen so geht, befinden Sie sich oftmals noch in der Eignungsprüfung. Der Auftraggeber hat insoweit z.B. zu prüfen, ob Ihr Unternehmen wirtschaftlich-finanziell und technisch-beruflich dazu in der Lage ist, den Auftrag auszuführen. Zwar kann er grundsätzlich festlegen, dass für einzelne Angaben Eigenerklärungen ausreichend sind. Diese Eigenerklärungen dienen jedoch in der Regel nur als vorläufiger Nachweis. Sie sind von den Bietern, deren Angebote in die engere Wahl kommen, durch entsprechende Bescheinigungen der zuständigen Stellen zu bestätigen. Teils ist sogar ausdrücklich definiert, wer ein solcher Bieter ist, wessen Angebot also in die engere Wahl gekommen ist. Etwa beim Offenen Verfahren handelt es sich um das Angebot, das den Zuschlag erhalten soll.
Zeitliche Anforderungen
Meistens wird Sie der Auftraggeber nun nicht einfach bitten, demnächst einmal Nachweise beizubringen. Er wird – keineswegs immer, aber doch in der Regel – eine Frist setzen oder sich zumindest eine „unverzügliche“ Vorlage erbitten. Viele Auftraggeber orientieren sich an der 6‑Tage-Regelung des § 16a Abs. 4 S. 2 EU VOB/A bzw. § 16a Abs. 4 S. 2 VOB/A 1. Abschnitt. Danach soll die Nachforderungsfrist sechs Kalendertage nicht überschreiten. Es fragt sich aber schon, wie verbindlich „soll“ im Einzelfall ist. Eine andere Frage ist, ob diese recht strenge Fristenvorgabe (sechs Tage sind nicht viel, insbesondere wenn ein Wochenende dazwischen liegt) überhaupt anzuwenden ist. Schließlich werden die Nachweise ja nicht nachgefordert, sondern erstmalig angefordert. Wieder anders mag es zu beurteilen sein, wenn der Auftraggeber z.B. in der Bekanntmachung oder Aufforderung zur Angebotsabgabe ausdrücklich mitteilt, dass er für die Beibringung von Nachweisen sechs Tage Zeit einräumen wird. Aber wurden denn überhaupt die einzelnen Nachweise hinreichend klar und bestimmt definiert, die jetzt eingereicht werden sollen? Und was gilt eigentlich, wenn Sie die Frist reißen?
Tipp
In Summe gilt vor allem eins: Hier ist vieles unklar. Beachten Sie dennoch immer die genauen Nachweisforderungen und natürlich auch die Frist, deren Beachtung der Auftraggeber verlangt. Denn wer (außer Anwälten) will schon Streit? Meistens werden Fristverletzungen in Vergabeverfahren mit sehr negativen Folgen (allen voran: Angebotsausschluss) belegt. Zugleich gilt aber auch: Kein Bieter sollte ohne anwaltliche Prüfung z.B. einen Ausschluss wegen angeblich gerissener Frist akzeptieren.
Wenn Sie sehen, dass bestimmte möglicherweise sogar schwer für Sie zu erfüllende Nachweisanforderungen auf Sie zukommen werden, besorgen Sie sich die betreffenden Nachweise am besten frühzeitig. Warten Sie nicht, bis die meistens fristbewehrte Aufforderung des Auftraggebers ins Haus flattert. Wenn Sie ausnahmsweise weder durch gute Vorbereitung noch durch zügiges Handeln innerhalb der Frist fertig werden, erwägen Sie einen Antrag auf Fristverlängerung und ggf. auch eine Rüge.
*Dieser Rechtstipp ersetzt keinen anwaltlichen Rat im Einzelfall. Er ist naturgemäß unvollständig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezogen und stellt zudem eine Momentaufnahme dar, da sich gesetzliche Grundlagen und Rechtsprechung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denkbaren Konstellationen abdecken, dient Unterhaltungs- und Erstorientierungszwecken und soll Sie zur frühzeitigen Abklärung von Rechtsfragen motivieren, nicht aber davon abhalten.