Unser Rechtsanwalt Stefan Didt hat sich am 04. Juli 2025 in einem abante live zum Vergaberecht mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. April 2025 (Az.: 6 K 4798/21) befasst.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied am 10. April 2025 mit Urteil (Az.: 6 K 4798/21), dass eine fehlende eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung einen schweren Vergaberechtsverstoß darstellt und den Widerruf einer Förderbewilligung rechtfertigt.
Unser Video zur Urteilsbesprechung:
Sachverhalt
Die Stadt beantragte im Mai 2003 beim Land NRW Fördermittel in Höhe von insgesamt 1.138.900 € für die Erneuerung der Wegweisungsbeschilderung im Stadtgebiet. Nach öffentlicher Ausschreibung beauftragte sie 2006 ein Unternehmen mit dem Ausbau und der Neuaufstellung von über 700 Schildern im Rahmen eines Einheitspreisvertrags.
Im September 2012 beanstandeten Landesrechnungshof und Bezirksregierung NRW wiederholt die Genauigkeit des Leistungsverzeichnisses. Nachdem die Stadt ihre teilfunktionale Ausschreibung verteidigte, widerrief die Behörde im Juni 2021 die Zuwendung rückwirkend und forderte knapp 253.500 € zurück. Die Stadt zahlte vorsorglich und erhob Klage gegen den Rückforderungsbescheid.
Kernpunkt der Entscheidung
Das VG Düsseldorf stellte klar:
- Art der Leistungsbeschreibung
Die Ausschreibung war nicht teilfunktional, sondern eine klassische Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis (§ 9 Nr. 6 VOB/A 2002). Eine funktionale oder teilfunktionale Ausschreibung setzt voraus, dass wesentliche Planungsleistungen auf den Bieter übertragen und in einem dokumentierten Abwägungsprozess begründet werden (vgl. § 9 Nr. 10 VOB/A 2002). Beides fehlte hier.
- Eindeutigkeit und Erschöpfung
Ein Leistungsbeschrieb ist nur dann eindeutig und erschöpfend, wenn aus Sicht eines durchschnittlichen und mit der Bauleistung vertrauten Bieters klar hervorgeht, welche Leistungen in welchem Umfang und welcher Qualität erbracht werden müssen (§ 9 Nr. 1 VOB/A 2002). Standortdatenblätter im Maßstab 1 : 1500 und unklare Mehr-/Mindermengenregelungen sorgten für erhebliche Unschärfen.
- Wirkung des Formmangels
Die zahlreichen und finanziell relevanten Nachtragsleistungen (rund 79 % der Positionen wichen mehr als 10 % ab) belegen, dass eine echte Vergleichsbasis im Wettbewerb fehlte. Daher lag ein schwerer Vergaberechtsverstoß vor und die Widerrufsbefugnis nach § 49 Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW war gegeben.
- Fristwahrung
Die Jahresfrist für den Widerruf begann erst mit Abschluss des Anhörungsverfahrens am 31. August 2020. Der Widerrufsbescheid vom 30. Juni 2021 erfolgte somit fristgerecht.
Tipps für öffentliche Auftraggeber
- Dokumentierte Abwägung: Wenn Sie funktional oder teilfunktional ausschreiben, halten Sie im Vergabevermerk fest, warum und unter welchen Umständen Sie von der Regelausschreibung mit Leistungsverzeichnis abweichen.
- Klare Standortdefinition: Erfassen Sie jeden Einzelstandort mit ausreichender Detaillierung (z. B. genaue GPS‑Koordinaten, Baugrundverhältnisse), um Mengenschwankungen und Nachträge zu minimieren.
- Vergaberechtliche Prüfung: Beziehen Sie frühzeitig Vergaberechtsexperten und – bei technischen Fragen – Fachplaner ein, um das Leistungsverzeichnis auf Vollständigkeit und Eindeutigkeit zu prüfen.
Tipps für Bieter und Zuwendungsempfänger
- Präzise Prüfung: Lassen Sie Leistungsverzeichnisse im Hinblick auf Eindeutigkeit von erfahrenen Vergaberechtlern und Bausachverständigen gegenlesen.
- Risikobewertung: Kalkulieren Sie bei unklaren Mengenangaben immer konservativ, um unvorhergesehene Nachträge zu vermeiden.
- Frühzeitige Kommunikation: Fordern Sie bei Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung schriftlich Nachbesserungen oder Erläuterungen und dokumentieren Sie Rückfragen.
- Monitoring der Förderbedingungen: Behalten Sie Fristen für Prüfverfahren und Anhörungen im Blick, um die Jahresfrist für einen möglichen Widerruf nicht zu riskieren.
Weitere Einblicke und detaillierte Erläuterungen zu diversen Entscheidungen finden Sie in unseren anderen Videos auf dem YouTube-Kanal abante Rechtsanwälte. Schauen Sie sehr gern vorbei!