Viele Bieter in Vergabeverfahren haben Angst davor, eine Rüge zu erheben. Nur wenige Bieter haben zwar keine Angst, spekulieren aber auf Vergabefehler und verzichten deshalb auf eine Rüge.
Angst (besser vielleicht: Furcht) kann ein guter Ratgeber sein. Hier führt sie aber in die Irre. Und spekulieren sollte man nur am Kartentisch. Beide Bieter-Gruppen haben also aus meiner Sicht eher Unrecht.
Ich gehe auf 5 verbreitete Vorurteile über Rügen im Vergabeverfahren ein.
Die häufigsten fünf Vorurteile zur Rüge im Vergabeverfahren im Überblick
- „Da mache ich mich unbeliebt“
- „Der Auftraggeber macht doch sowieso, was er will“
- „Das ist ja gar keine Rechtsfrage, das ist ein kaufmännisches Problem“
- „Schweigen ist Gold“
- „Sollen die mich doch ausschließen, den Schadensersatz hole ich mir später“
Vorurteil Nr. 1: „Da mache ich mich unbeliebt“
Viele Bieter wollen rechtswidrige Regelungen nicht beanstanden, weil sie Angst haben, sich unbeliebt zu machen. Vertrag kommt von vertragen, ist da eine beliebte Wendung. Dazu kann ich nur sagen: Die öffentliche Hand ist an Gesetz und Recht gebunden. Nicht an Sympathie etc. Und das wissen auch die Mitarbeiter der öffentlichen Auftraggeber. Sie lassen sich nicht von spontanen Abneigungen etc. leiten, sondern gehen sachlichen Einwänden nach. Selten: grummelnd. Meistens: dankbar. Den Satz „Der macht mir Ärger, der kriegt den Auftrag nicht“ habe ich offen gestanden noch nie gehört.
Vorurteil Nr. 2: „Der Auftraggeber macht doch sowieso, was er will“
Klar, der öffentliche Auftraggeber hat beträchtliche Spielräume. Und das zurecht. Er soll selbst entscheiden, was er braucht und haben möchte. Aber das Vergaberecht macht – teilweise – recht weitgehende Vorgaben. Diese betreffen keineswegs bloß das Vergabeverfahren. Sie regeln auch zulässige Vertragsinhalte. Beispiel: Kein Auftraggeber darf einfach so ein bestimmtes Produkt beschaffen, weil es ihm besonders gefällt. An diese rechtlichen Vorgaben ist der öffentliche Auftraggeber also gehalten. Über diese rechtlichen Vorgaben setzt sich auch kein vernünftiger Auftraggeber hinweg. Und wenn ausnahmsweise doch, hilft die Vergabekammer.
Vorurteil Nr. 3: „Das ist ja gar keine Rechtsfrage, das ist ein kaufmännisches Problem“
Manchmal entgegnen Bieter, sie störten sich an diesem oder jenem. Und zwar so gewaltig, dass sie noch nicht einmal ein Angebot kalkulieren könnten. Spätestens hier horcht jeder Vergabejurist auf. Angebote müssen kalkulierbar sein. Nicht für jeden, aber – im Regelfall – auch nicht bloß für einen. Das ist keine rein kaufmännische Frage, sondern auch eine Rechtsfrage. Anders formuliert: Ab einem bestimmten Punkt werden kaufmännische zu rechtlichen Themen.
Vorurteil Nr. 4: „Schweigen ist Gold“
Manchmal setzen Bieter auch auf Fehler in den Vergabeunterlagen. Sie spekulieren auf die Lücke im Leistungsverzeichnis, auf das unvollständige Leistungsverzeichnis oder auf das fehlerhafte Leistungsverzeichnis. Nachtragen ist besser als beanstanden, so lautet die Denkweise. Und das kann auch mal klappen. Aber Vorsicht: Es gibt Gerichtsentscheidungen, die für die Beurteilung der Nachtragsberechtigung das Verhalten im Vergabeverfahren in den Blick nehmen. Und: Vertrag kommt von vertragen. Auch längerfristig und über das einzelne Vertragsverhältnis hinaus.
Vorurteil Nr. 5: „Sollen die mich doch ausschließen, den Schadensersatz hole ich mir später“
Der Bundesgerichtshof hat eine Entwicklung der Rechtsprechung im Jahr 2019 vorläufig abgeschlossen, die schon lange absehbar gewesen ist. Danach kann ein Bieter auch dann Schadensersatz verlangen, wenn er keine Rüge erhoben und kein Nachprüfungsverfahren eingeleitet hat. Aber Vorsicht: Der Sachverhalt beim Bundesgerichtshof war speziell. Und: das positive Interesse gibt es nur in bestimmten Sachverhalten, die meistens gar nicht gegeben sind.
Unsere Empfehlung im Vergabeprozess
Haben Sie keine Angst, sondern rügen Sie unzulässige Vorgaben. Sie werden überrascht sein, wie oft dies zum Erfolg führt. Die andere Seite ist weitaus sachlicher, als Sie vielleicht denken. Wir beraten Sie gerne vorab. Wenden Sie dafür gerne per E‑Mail an info@abante.de oder rufen Sie uns direkt unter der Rufnummer +49 341 238 203 – 00 an. Wir beraten Sie zu allen Belangen im Vergaberecht.
Hinweis: Dieser Rechtstipp ersetzt keinen anwaltlichen Rat im Einzelfall. Er ist naturgemäß unvollständig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezogen und stellt zudem eine Momentaufnahme dar, da sich gesetzliche Grundlagen und Rechtsprechung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denkbaren Konstellationen abdecken, dient Unterhaltungs- und Erstorientierungszwecken und soll Sie zur frühzeitigen Abklärung von Rechtsfragen motivieren, nicht aber davon abhalten.