Die Bie­ter­fra­ge – auf wel­cher Ebe­ne fun­ken Sie?*

Frie­de­mann Schulz von Thun hat 1981 ein Qua­drat erfun­den oder gefun­den, das uns noch heu­te viel über unse­re Art zu kom­mu­ni­zie­ren ver­rät: das „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­qua­drat“, auch „Vier-Ohren-Modell” oder „Nach­rich­ten­qua­drat” genannt. Aber was, wer­den Sie sich fra­gen, hat das mit Bie­ter­fra­gen in Ver­ga­be­ver­fah­ren zu tun? Sehen Sie selbst!

Die vier Bot­schaf­ten

Ob ich es will oder nicht, wenn ich mich äuße­re, dann immer vier­fach. Ich fun­ke stets vier Bot­schaf­ten gleich­zei­tig, und zwar
  • eine Sach­in­for­ma­ti­on (wor­über ich infor­mie­re)
  • eine Selbst­kund­ga­be (was ich von mir zu erken­nen gebe)
  • einen Bezie­hungs­hin­weis (was ich von mei­nem Gegen­über hal­te und wie ich zu ihm ste­he)
  • einen Appell (was ich bei mei­nem Gegen­über errei­chen möch­te)

Es geht doch nur um die Sache!

Viel­leicht sagen Sie jetzt: Ja, natür­lich. Aber in Ver­ga­be­ver­fah­ren äuße­re ich mich allen­falls geschäft­lich, da geht es – mir zumin­dest – aus­schließ­lich um die Sache. Sie steht für mich an vor­ders­ter Stel­le, alle ande­ren „Ohren“ haben dem­entspre­chend „taub“ zu sein.

Ernst­haft?!

Ich glau­be frei­lich, das ist eine etwas lebens­fer­ne Sicht. Im Grun­de wis­sen Sie das wahr­schein­lich auch selbst. Eine Bie­ter­fra­ge kann auf der Sach­ebe­ne über­flüs­sig sein, etwa weil sie schon viel­fach im Ver­ga­be­ver­fah­ren beant­wor­tet wur­de, wenn auch mit ande­ren Wor­ten. Aber was bedeu­tet das für die Selbst­kund­ga­be- und Bezie­hungs­ebe­ne? Dass der Bie­ter, wenn er denn mein Auf­trag­neh­mer und Part­ner wer­den soll­te, mir leich­ten Her­zens unnö­ti­ge Arbeit macht, weil er letzt­lich mei­ne Zeit gerin­ger schätzt als sei­ne eige­ne? Ein wei­te­res Bei­spiel ist die sehr häu­fig begeg­nen­de, äußerst direk­te Bie­ter­fra­ge, ob unter Zugrun­de­le­gung einer bestimm­ten Posi­ti­on in der Leis­tungs­be­schrei­bung zuläs­si­ger­wei­se die­ses oder jenes Pro­dukt ange­bo­ten wer­den kön­ne. Sowohl für den Auf­trag­ge­ber als auch vor allem für die Kon­kur­renz, die die anony­mi­sier­te Fas­sung Ihrer Fra­ge nebst Ant­wort erhält, sind sol­che Fra­gen ein gefun­de­nes Fres­sen. Denn die Selbst­kund­ga­be-Bot­schaft liegt recht klar auf der Hand: Der Fra­ge­stel­ler beab­sich­tigt, genau die­ses Pro­dukt auch anzu­bie­ten. Ist die­se Art von Fra­ge also wirk­lich klug?

Machen Sie es sich zur Gewohn­heit

Sie kön­nen also jede Bie­ter­fra­ge – und frei­lich auch jede Auf­trag­ge­ber-Ant­wort – mit­hil­fe des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­qua­drats ana­ly­sie­ren. Viel­leicht soll­ten Sie auch genau damit anfan­gen, bevor Sie künf­tig Fra­gen stel­len. Manch­mal sind es nur Nuan­cen, die Bot­schaf­ten ver­un­kla­ren, die auch unklar blei­ben sol­len – und auf ande­rer Ebe­ne genau das ver­mit­teln, was Sie ver­mit­teln wol­len. Brin­gen Sie ruhig noch etwas mehr Ratio­na­li­tät in Ihr Ange­bots­ma­nage­ment und machen Sie es sich zur Gewohn­heit, Bie­ter­fra­gen z.B. nach dem o.g. Modell zu ana­ly­sie­ren, bevor Sie sie über die Ver­ga­be­platt­form ver­sen­den! *Die­ser Rechts­tipp ersetzt kei­nen anwalt­li­chen Rat im Ein­zel­fall. Er ist natur­ge­mäß unvoll­stän­dig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezo­gen und stellt zudem eine Moment­auf­nah­me dar, da sich gesetz­li­che Grund­la­gen und Recht­spre­chung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denk­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen abde­cken, dient Unter­hal­tungs- und Erst­ori­en­tie­rungs­zwe­cken und soll Sie zur früh­zei­ti­gen Abklä­rung von Rechts­fra­gen moti­vie­ren, nicht aber davon abhal­ten.

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