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Aktuelles Vergaberecht in 15 Minuten: Verstoß gegen Vergaberecht - Widerruf der Förderung ist die Regel!

Aktu­el­les Ver­ga­be­recht in 15 Minu­ten: Ver­stoß gegen Ver­ga­be­recht – Wider­ruf der För­de­rung ist die Regel!

Unser Rechts­an­walt Achim Wies­mann hat sich am 07. Febru­ar 2025 in einem aban­te live zum Ver­ga­be­recht mit dem Urteil des Ver­wal­tungs­ge­richts (VG) Cott­bus vom 3. Febru­ar 2023 (Az. 3 K 1618/19) befasst.

Das Gericht hat ent­schie­den, unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen eine Behör­de eine bereits bewil­lig­te Zuwen­dung teil­wei­se zurück­for­dern kann. Der Fall betrifft die Rück­for­de­rung von För­der­mit­teln nach einem Ver­ga­be­rechts­ver­stoß und wirft zen­tra­le Fra­gen zur Auf­la­gen­bin­dung im Zuwen­dungs­recht auf.

Hier gelan­gen Sie zum Video der Bespre­chung die­ser Ent­schei­dung:

Der Fall: Kirch­ge­mein­de als Zuwen­dungs­emp­fän­ge­rin

Eine evan­ge­li­sche Kirch­ge­mein­de erhielt För­der­gel­der in Höhe von 875.976,64 EUR für die Errich­tung eines Gemein­de­zen­trums. Die Mit­tel stamm­ten teil­wei­se aus dem Euro­päi­schen Land­wirt­schafts­fonds für die Ent­wick­lung des länd­li­chen Raums (ELER). Die För­de­rung war an bestimm­te Neben­be­stim­mun­gen geknüpft, dar­un­ter ver­ga­be­recht­li­che Auf­la­gen für Bau­auf­trä­ge über 100.000 EUR net­to.

Die Gemein­de ver­gab die Bau­leis­tun­gen in drei Losen:

  • Los 1 (Abbruch): 24.000 EUR net­to
  • Los 2 (Grün­dung): 43.000 EUR net­to
  • Los 3 (Roh­bau): 210.000 EUR net­to

Die Ver­ga­be erfolg­te über öffent­li­che Aus­schrei­bun­gen, jedoch ohne Anga­be der vor­zu­le­gen­den Eig­nungs­nach­wei­se in der Bekannt­ma­chung – ein Ver­stoß gegen § 12 VOB/A.

Bei der Prü­fung des zwei­ten Aus­zah­lungs­an­trags stell­te die Behör­de die­sen Man­gel fest und wider­rief dar­auf­hin einen Teil der Zuwen­dung. Sie kürz­te die För­der­mit­tel um 17.706,29 EUR, davon:

  • 17.614,92 EUR wegen des Ver­ga­be­ver­sto­ßes (25 % der för­der­fä­hi­gen Sum­me der betrof­fe­nen Lose)
  • 91,37 EUR wegen nicht nach­voll­zieh­ba­rer Nach­trä­ge einer Bau­un­ter­neh­mer-Rech­nung

Die Kirch­ge­mein­de leg­te Wider­spruch ein, der zurück­ge­wie­sen wur­de, und erhob schließ­lich Kla­ge vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Cott­bus.

Die Ent­schei­dung des Ver­wal­tungs­ge­rich­tes

Das VG Cott­bus erklär­te den Teil­wi­der­ruf der För­der­mit­tel für Los 1 und Los 2 für rechts­wid­rig, wäh­rend es den Wider­ruf für Los 3 bestä­tig­te. Die Begrün­dung:

1. Ver­ga­be­rechts­pflicht nur bei aus­drück­li­cher Auf­la­ge

  • Die Kirch­ge­mein­de war als Zuwen­dungs­emp­fän­ge­rin kei­ne öffent­li­che Auf­trag­ge­be­rin im Sin­ne des GWB. Die Pflicht zur Anwen­dung des Ver­ga­be­rechts ergab sich nur aus dem Zuwen­dungs­be­scheid.
  • In den „All­ge­mei­nen Neben­be­stim­mun­gen für EU-För­der­mit­tel“ (ANBest-EU) war die Anwen­dung der VOB/A nur für Bau­auf­trä­ge über 100.000 EUR net­to ver­pflich­tend vor­ge­schrie­ben.
  • Da Los 1 und Los 2 unter die­ser Schwel­le lagen, bestand kei­ne ver­ga­be­recht­li­che Auf­la­ge für die­se Ver­ga­ben.

2. Feh­len­de Berech­nungs­grund­la­ge für Gesamt­wert der Auf­trä­ge

  • Die Behör­de argu­men­tier­te, dass die drei Lose als wirt­schaft­lich zusam­men­hän­gend betrach­tet und die Wer­te addiert wer­den müss­ten.
  • Das Gericht ent­schied jedoch, dass die Lose als eigen­stän­di­ge Auf­trä­ge zu wer­ten sei­en, weil sie jeweils eine abge­schlos­se­ne wirt­schaft­li­che oder tech­ni­sche Funk­ti­on erfüll­ten.
  • Damit lag nur Los 3 über der 100.000 EUR-Schwel­le, wes­halb nur hier­für die ver­ga­be­recht­li­chen Auf­la­gen gal­ten.

3. EU-Recht als Wider­rufs­grund unzu­rei­chend

  • Die Behör­de hat­te sich zur Begrün­dung des Wider­rufs auf eine EU-Ver­ord­nung (Art. 56 VO (EU) Nr. 1306/2013) gestützt.
  • Das VG stell­te jedoch klar, dass EU-Vor­schrif­ten ohne einen aus­drück­li­chen „Anwen­dungs­be­fehl“ im Zuwen­dungs­be­scheid nicht auto­ma­tisch als Auf­la­ge wir­ken.

4. Wider­ruf für Los 3 gerecht­fer­tigt

  • Bei Los 3 lag ein kla­rer Ver­ga­be­rechts­ver­stoß vor, da die Eig­nungs­kri­te­ri­en nicht in der Bekannt­ma­chung benannt wur­den.
  • Da Los 3 über 100.000 EUR lag und damit die VOB/A galt, lag ein Ver­stoß gegen eine Auf­la­ge vor (§ 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG).
  • Der Wider­ruf in Höhe von 25 % der zuwen­dungs­fi­nan­zier­ten Sum­me für die­ses Los war somit recht­mä­ßig.

Ermes­sens­spiel­raum des Zuwen­dungs­ge­bers

Ein Wider­ruf nach § 49 Abs. 3 VwVfG ist kein Auto­ma­tis­mus – die Behör­de muss ihr Ermes­sen aus­üben.

Das Gericht beton­te jedoch, dass bei Ver­stö­ßen gegen ver­ga­be­recht­li­che Auf­la­gen ein „inten­dier­tes Ermes­sen“ vor­liegt. Das bedeu­tet, dass ein Wider­ruf grund­sätz­lich die Regel ist, sofern kei­ne außer­ge­wöhn­li­chen Umstän­de dage­gen­spre­chen.

Zudem sei es zuläs­sig, sich bei der Rück­for­de­rung an den so genann­ten COCOF-Leit­li­ni­en der EU zu ori­en­tie­ren. Die­se Leit­li­ni­en der EU-Kom­mis­si­on legen pau­scha­le Kor­rek­tur­sät­ze für ver­schie­de­ne Ver­ga­be­ver­stö­ße fest. Für die feh­len­de Bekannt­ma­chung der Eig­nungs­kri­te­ri­en ist dort eine Kür­zung um 25 % der för­der­fä­hi­gen Sum­me vor­ge­se­hen – eine Ermes­sens­ent­schei­dung, die das VG Cott­bus nicht bean­stan­de­te.

Fazit: Was kön­nen Zuwen­dungs­emp­fän­ger und Behör­den dar­aus ler­nen?

Für Zuwen­dungs­emp­fän­ger:

  • Prü­fen Sie genau den Wort­laut des Zuwen­dungs­be­scheids und der Neben­be­stim­mun­gen. Nicht jeder Ver­weis auf Ver­ga­be­recht stellt eine bin­den­de Auf­la­ge dar.
  • Sei­en Sie vor­sich­tig bei der Berech­nung von Auf­trags­wer­ten – manch­mal müs­sen Lose addiert wer­den, manch­mal nicht.
  • Feh­ler in der Ver­ga­be kön­nen auch nach­träg­lich ent­deckt und sank­tio­niert wer­den – mit erheb­li­chen finan­zi­el­len Fol­gen.

Für Zuwen­dungs­ge­ber:

  • Um spä­te­re Strei­tig­kei­ten zu ver­mei­den, soll­te klar for­mu­liert wer­den, wann und in wel­chem Umfang Ver­ga­be­recht ver­pflich­tend ist.
  • Rück­for­de­rungs­ent­schei­dun­gen soll­ten recht­lich sau­ber begrün­det sein – ein all­ge­mei­ner Ver­weis auf EU-Vor­ga­ben reicht nicht aus.
  • Bei kofi­nan­zier­ten Pro­jek­ten soll­te bedacht wer­den, dass mög­li­cher­wei­se ein Rück­for­de­rungs­an­spruch der EU auch unab­hän­gig von der Mög­lich­keit der Rück­for­de­rung gegen­über dem Zuwen­dungs­emp­fän­ger bestehen kann.

Das Urteil zeigt, dass För­der­mit­tel-Rück­for­de­run­gen kein Selbst­läu­fer sind. Zuwen­dungs­emp­fän­ger haben durch­aus Chan­cen, sich erfolg­reich zu weh­ren – ins­be­son­de­re, wenn Unklar­hei­ten in den För­der­be­din­gun­gen bestehen.

Wei­te­re Ein­bli­cke und detail­lier­te Erläu­te­run­gen zu diver­sen Ent­schei­dun­gen fin­den Sie in unse­ren ande­ren Vide­os auf dem You­Tube-Kanal aban­te Rechts­an­wäl­te. Schau­en Sie sehr gern vor­bei!

*Hin­weis: Die­ser Rechts­tipp ersetzt kei­nen anwalt­li­chen Rat im Ein­zel­fall. Er ist natur­ge­mäß unvoll­stän­dig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezo­gen und stellt zudem eine Moment­auf­nah­me dar, da sich gesetz­li­che Grund­la­gen und Recht­spre­chung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denk­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen abde­cken, dient Unter­hal­tungs- und Erst­ori­en­tie­rungs­zwe­cken und soll Sie zur früh­zei­ti­gen Abklä­rung von Rechts­fra­gen moti­vie­ren, nicht aber davon abhal­ten. aban­te Rechts­an­wäl­te war nicht am Ver­fah­ren betei­ligt und hat kei­ne Par­tei im Streit­ver­fah­ren ver­tre­ten.

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