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Vergaberecht

Trans­pa­renz und Infor­ma­ti­ons­frei­heit im Ver­ga­be­recht

Der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof (VGH) Mün­chen hat mit sei­nem Urteil vom 21. Juni 2024 (Az.: 5 BV 22.1295) eine weg­wei­sen­de Ent­schei­dung zur Trans­pa­renz im Ver­ga­be­recht getrof­fen. Das Urteil behan­delt den Anspruch eines Bie­ters auf Ein­sicht in die Bewer­tung sei­ner Ange­bo­te in einem Ver­ga­be­ver­fah­ren nach den Rege­lun­gen des Infor­ma­ti­ons­frei­heits­ge­set­zes (IFG). Die­ses Urteil wirft ein neu­es Licht auf den Umgang mit Ver­trau­lich­keit und Trans­pa­renz im Ver­ga­be­we­sen und hat poten­zi­ell weit­rei­chen­de Aus­wir­kun­gen für Auf­trag­ge­ber und Bie­ter.

Hier gelan­gen Sie zum Video der Bespre­chung der Ent­schei­dung:

Hin­ter­grund des Falls

Die Klä­ge­rin, ein Bie­ter in einem euro­pa­wei­ten Ver­ga­be­ver­fah­ren der Bun­des­agen­tur für Arbeit, hat­te Ein­sicht in die Bewer­tungs­be­grün­dung ihrer Kon­zep­te zu zwei Losen bean­tragt. Nach ihrer Nie­der­la­ge im Ver­ga­be­ver­fah­ren for­der­te sie zunächst gemäß § 134 GWB detail­lier­te Infor­ma­tio­nen über die Bewer­tung. Die Bun­des­agen­tur ver­wei­ger­te jedoch wei­ter­ge­hen­de Anga­ben mit Ver­weis auf § 5 Abs. 2 der Ver­ga­be­ver­ord­nung (VgV), der die Ver­trau­lich­keit von Ange­bots­do­ku­men­ta­tio­nen regelt. Dar­auf­hin berief sich die Klä­ge­rin auf das IFG, um ihre Rech­te durch­zu­set­zen.

Das Ver­wal­tungs­ge­richt Ans­bach wies die Kla­ge in ers­ter Instanz ab, da § 5 Abs. 2 VgV auch den öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber schüt­zen sol­le. Der VGH Mün­chen kor­ri­gier­te die­se Ent­schei­dung jedoch grund­le­gend.

Kern­aus­sa­gen des Urteils

1. Ein­sicht­nah­me in die eige­ne Bewer­tung

Der VGH stell­te klar, dass die Ver­trau­lich­keit der Ange­bots­be­wer­tung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 VgV nur zuguns­ten der Ein­rei­cher, nicht aber zu deren Nach­teil wirkt. Kon­kret bedeu­tet dies, dass Bie­ter berech­tigt sind, die Bewer­tung ihrer eige­nen Ange­bo­te ein­zu­se­hen, sofern kei­ne Rück­schlüs­se auf Inhal­te der Ange­bo­te Drit­ter gezo­gen wer­den kön­nen.

2. Trans­pa­renz und der Schutz vor Wett­be­werbs­ver­zer­run­gen

Der Gerichts­hof beton­te, dass Trans­pa­renz im Ver­ga­be­ver­fah­ren nicht den Wett­be­werb ver­fälscht, son­dern viel­mehr dazu bei­trägt, dass Bie­ter ihre Ange­bo­te bes­ser an die Anfor­de­run­gen des Auf­trag­ge­bers anpas­sen kön­nen. Die Offen­le­gung der Bewer­tungs­de­tails för­dert somit die Qua­li­tät und Ziel­ge­rich­tet­heit zukünf­ti­ger Ange­bo­te, ohne die Inno­va­ti­ons­kraft der Teil­neh­mer zu schmä­lern.

3. Kei­ne unbe­grenz­te Ver­trau­lich­keit

Der VGH wider­sprach der Auf­fas­sung, dass § 5 Abs. 2 VgV eine umfas­sen­de Ver­trau­lich­keits­pflicht beinhal­tet, die auch die Hand­lun­gen des öffent­li­chen Auf­trag­ge­bers selbst schützt. Viel­mehr zielt die Norm dar­auf ab, Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nis­se der Bie­ter vor unbe­fug­ter Wei­ter­ga­be an Drit­te zu bewah­ren. Die Bewer­tung der Ange­bo­te durch die Ver­ga­be­stel­le ist hier­von nicht umfasst.

4. Euro­pa­recht­li­che Vor­ga­ben

Das Urteil berück­sich­tigt auch die euro­pa­recht­li­chen Grund­la­gen der VgV. Der Euro­päi­sche Gerichts­hof hat in einer Ent­schei­dung von 2022 klar­ge­stellt, dass die Offen­le­gung von Bewer­tungs­de­tails im Ein­klang mit dem Schutz eines unver­fälsch­ten Wett­be­werbs steht, solan­ge kei­ne geschütz­ten Infor­ma­tio­nen Drit­ter offen­ge­legt wer­den.

Aus­wir­kun­gen des Urteils

Für Auf­trag­ge­ber

Öffent­li­che Auf­trag­ge­ber soll­ten künf­tig genau prü­fen, wel­che Infor­ma­tio­nen sie wäh­rend und nach Abschluss eines Ver­ga­be­ver­fah­rens bereit­stel­len. Eine restrik­ti­ve Hand­ha­bung der Infor­ma­ti­ons­pflich­ten, wie sie im vor­lie­gen­den Fall durch die Bun­des­agen­tur erfolg­te, kann zu Rechts­strei­tig­kei­ten füh­ren. Eine trans­pa­ren­te und umfas­sen­de Infor­ma­ti­on unter­le­ge­ner Bie­ter kann hin­ge­gen Rechts­kon­flik­te ver­mei­den und das Ver­trau­en in die Ver­ga­be­ver­fah­ren stär­ken.

Für Bie­ter

Bie­ter haben durch die­ses Urteil ein star­kes Argu­ment, detail­lier­te Infor­ma­tio­nen über die Bewer­tung ihrer Ange­bo­te zu ver­lan­gen. Neben dem IFG bie­ten auch ver­ga­be­recht­li­che Vor­schrif­ten wie § 134 GWB eine Grund­la­ge, um sol­che Ansprü­che gel­tend zu machen. Die­se Ein­sicht kann hel­fen, Schwä­chen im Ange­bot zu iden­ti­fi­zie­ren und die Chan­cen in zukünf­ti­gen Ver­ga­be­ver­fah­ren zu erhö­hen.

Fazit

Das Urteil des VGH Mün­chen ist ein bedeu­ten­der Schritt hin zu mehr Trans­pa­renz im Ver­ga­be­recht. Es stärkt die Rech­te von Bie­tern, ihre eige­nen Bewer­tun­gen ein­zu­se­hen, und setzt kla­re Gren­zen für die Beru­fung auf Ver­trau­lich­keit durch öffent­li­che Auf­trag­ge­ber. Die Revi­si­on vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt wird mit Span­nung erwar­tet, könn­te jedoch die Prin­zi­pi­en die­ses rich­tungs­wei­sen­den Urteils wei­ter fes­ti­gen.

Wei­te­re Ein­bli­cke und detail­lier­te Erläu­te­run­gen zur Ent­schei­dung fin­den Sie in unse­rem Video auf dem You­Tube-Kanal aban­te Rechts­an­wäl­te. Schau­en Sie vor­bei!

* Hin­weis: Die­ser Rechts­tipp ersetzt kei­nen anwalt­li­chen Rat im Ein­zel­fall. Er ist natur­ge­mäß unvoll­stän­dig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezo­gen und stellt zudem eine Moment­auf­nah­me dar, da sich gesetz­li­che Grund­la­gen und Recht­spre­chung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denk­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen abde­cken, dient Unter­hal­tungs- und Erst­ori­en­tie­rungs­zwe­cken und soll Sie zur früh­zei­ti­gen Abklä­rung von Rechts­fra­gen moti­vie­ren, nicht aber davon abhal­ten. aban­te Rechts­an­wäl­te war nicht am Ver­fah­ren betei­ligt und hat kei­ne Par­tei im Streit­ver­fah­ren ver­tre­ten.

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