Achtung, Insolvenz! Haben Sie das schon mal erlebt? Eben noch waren Sie ein ganz normaler Gläubiger und (öffentlicher) Auftraggeber und hatten einen ganz normalen Anspruch gegen ein Unternehmen, Ihren Auftragnehmer. Doch auf einmal ändern sich die Vorzeichen. Aus dem normalen Unternehmen wird ein Insolvenzschuldner. Und Sie werden zum Insolvenzgläubiger. Wie das Insolvenzrecht auf Ihr Verhältnis als Auftraggeber zu pleitegehenden Auftragnehmern einwirkt, behandle ich in mehreren Beiträgen. In diesem ersten Beitrag schildere ich den Ablauf des Insolvenzeröffnungsverfahrens und insbesondere die Insolvenzgründe sowie die Möglichkeiten des Gläubigers, in diesem Stadium Einfluss zu nehmen.
Die Ausgangslage
Für Sie und Ihr Haus werden gewerbliche Auftragnehmer tätig. Diese können zahlungsunfähig oder überschuldet sein. Möglicherweise ahnen Sie nichts dergleichen. Ihr Auftragnehmer kann nicht mehr – und Sie warten darauf, dass er seine vertraglich geschuldeten Leistungen bringt. Es passiert aber nichts. Er meldet sich nicht mehr, lässt sich verleugnen. Sie fragen sich, was Sie tun können.Das Insolvenzeröffnungsverfahren aus Gläubigersicht
Es ist zunächst einmal wichtig, sich den Ablauf aus der Sicht des Gläubigers zu vergegenwärtigen. Alles beginnt mit dem Insolvenzantrag. Jener geht beim Insolvenzgericht ein. Dieses prüft nun, ob das Insolvenzverfahren eröffnet werden kann. Wir befinden uns im Insolvenzeröffnungsverfahren, also im Zeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Insolvenzeröffnung ist grundsätzlich unter zwei Voraussetzungen der Fall. Erstens, es muss ein Insolvenzgrund vorliegen (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung). Zweitens, es muss eine hinreichende Insolvenzmasse gegeben sein, um zumindest die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken.Insolvenzantrag durch den Gläubiger
Der Gläubiger kann schon im Insolvenzeröffnungsverfahren beteiligt sein. Und zwar wenn er den Insolvenzantrag stellt. Dafür muss er u.a. ein Rechtsschutzinteresse glaubhaft machen. Dies erfordert vor allem zweierlei: Zum einen die Darlegung eines Insolvenzgrunds, also die Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Zum anderen müssen Sie als Gläubiger auch glaubhaft machen, dass Sie eine fällige, durchsetzbare Forderung haben, die nicht erfüllt wurde.Achtung vor Missbrauch
Was Sie als Gläubiger nicht tun sollten: den Insolvenzantrag als Druckmittel verwenden oder aus anderen Gründen missbräuchlich stellen. Die Insolvenz dient der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger und soll nicht dazu dienen, Partikularinteressen zu befördern.Holen Sie sich Hilfe!
Es gibt verschiedene Gründe, aus denen insbesondere öffentliche Auftraggeber gut beraten sind, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Wenn Sie hierfür Unterstützung benötigen – es gibt einige Fallstricke –, wenden Sie sich gerne an uns. Wir machen das für Sie.Kosten bei Insolvenzantragstellung
Ein wichtiger Punkt bei der Stellung des Insolvenzantrags ist immer, wer die Kosten trägt, wenn sich der Antrag erledigt oder der Gläubiger den Insolvenzantrag zurücknimmt. Machen Sie sich bitte insoweit zunächst klar: Wenn Sie den Antrag stellen und damit erfolgreich sind, dann trifft Sie keine Kostentragungspflicht. Die Insolvenzmasse trägt vielmehr die Verfahrenskosten. In allen anderen Fällen ist die Rechtslage weniger eindeutig. Denn § 31 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes sieht eine sogenannte sekundäre Kostentragungslast des antragstellenden Gläubigers vor. Diese kann z.B. relevant werden, wenn Sie als Gläubiger den Insolvenzantrag zurücknehmen oder der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wird.Insolvenzgründe
Das Gesetz kennt drei Eröffnungsgründe, und zwar die Zahlungsunfähigkeit, die Überschuldung und die drohende Zahlungsunfähigkeit. Als Gläubiger, der einen Insolvenzantrag stellt, müssen Sie zumindest einen Insolvenzgrund mit Ihrer Antragstellung glaubhaft machen. Andernfalls wird Ihr Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Es kommt allerdings für das tatsächliche Vorliegen des Grundes nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung an, sondern auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.Zahlungsunfähigkeit
Ein Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Insoweit ist keineswegs erforderlich, dass Ihr Schuldner gar keine Liquidität mehr hat, also gar keine Zahlungen mehr leisten kann. Es ist vielmehr bereits dann grundsätzlich von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Gesamtverbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen zu mindestens 90 % auszugleichen. Mit anderen Worten: Bei einer Lücke von 10 % für eine Dauer von mehr als drei Wochen ist in den meisten Fällen von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen. Ob ein solcher Fall vorliegt, kann in der Regel nur durch eine sogenannte Liquiditätsbilanz ermittelt werden. Diese kann der Gläubiger so gut wie nie aufstellen. Er hat meistens nicht den erforderlichen Einblick in die Interna des Schuldnerunternehmens. Für Sie als (öffentliche) Auftraggeber heißt dies, dass Sie nur anhand von Indizien entscheiden können, ob Zahlungsunfähigkeit vorliegt oder nicht. Gerade bei öffentlichen Vorhaben sind – nicht abschließend – die folgenden Indizien beachtlich:- Vertragspartner, insbesondere Subunternehmer und Lieferanten haben ihre Vertragsbeziehungen zum Auftragnehmer abgebrochen.
- Der Auftragnehmer hat den Geschäftsbetrieb eingestellt, er erscheint nicht mehr auf der Baustelle oder im Amt, er liefert nicht mehr an Sie aus.
- Es erreichen Sie Beschwerden von Mitarbeitern Ihres Auftragnehmers, dass diese ihren Lohn nicht mehr erhalten.
- Sie erhalten Informationen von Sozialversicherungsträgern oder dem Finanzamt, dass der Auftragnehmer säumig ist oder unpünktlich zahlt.
- Der Auftragnehmer/Schuldner erklärt Ihnen gegenüber, dass er sich in einer Krise befindet.