Ver­ga­be­rechts­re­form 2016: Grund­le­gen­des zur Ver­ga­be von Archi­tek­ten- und Inge­nieur­leis­tun­gen – Teil 3*

Im Fol­gen­den wer­den die Aus­füh­run­gen aus Teil 1 und Teil 2 die­ses Bei­trags fort­ge­setzt.

Eig­nungs­kri­te­ri­en

Im Rah­men der Eig­nungs­prü­fung kön­nen die Befä­hi­gung und Erlaub­nis zur Berufs­aus­übung (§ 44 VgV), die wirt­schaft­li­che und finan­zi­el­le Leis­tungs­fä­hig­keit (§ 45 VgV) sowie die tech­ni­sche und beruf­li­che Leis­tungs­fä­hig­keit (§ 46 VgV) über­prüft wer­den. Son­der­re­geln fin­den sich für Archi­tek­ten und Inge­nieu­re in § 75 VgV. In punc­to wirt­schaft­li­che und finan­zi­el­le sowie tech­ni­sche und beruf­li­che Leis­tungs­fä­hig­keit ist inter­es­sant, dass nach § 75 Abs. 4 Satz 2 VgV „bei geeig­ne­ten Auf­ga­ben­stel­lun­gen“ die Eig­nungs­kri­te­ri­en so gewählt wer­den müs­sen, dass klei­ne­re Büro­or­ga­ni­sa­tio­nen und Berufs­an­fän­ger sich betei­li­gen kön­nen.

Hier ist ein New­co­mer-Schutz vor­ge­se­hen; dabei han­delt es sich nach unse­rem Dafür­hal­ten nicht um einen blo­ßen Pro­gramm­satz oder ein rei­nes Desi­de­rat, son­dern um eine – klag­ba­re – Ver­pflich­tung.

Bedeut­sam für Archi­tek­ten und Inge­nieu­re ist selbst­ver­ständ­lich auch § 75 Abs. 5 in Ver­bin­dung mit § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV: Refe­ren­zen. Inso­weit wird – wie­der­um im Sin­ne des New­co­mer-Schut­zes – für die Ver­gleich­bar­keit der Refe­renz­ob­jek­te nicht als erfor­der­lich ange­se­hen, dass der Bewer­ber bereits Objek­te der­sel­ben Nut­zungs­art geplant oder rea­li­siert hat.

Aus­wahl­kri­te­ri­en

Beson­ders gere­gelt ist auch der Fall, dass genü­gend geeig­ne­te Bewer­ber zur Ver­fü­gung ste­hen, jedoch nur ein Teil davon zur Abga­be eines Ange­bots oder zum Dia­log ein­ge­la­den wer­den soll. Der Auf­trag­ge­ber muss dann in der Auf­trags­be­kannt­ma­chung oder – beim Inter­es­sen­be­kun­dungs­ver­fah­ren – in der Auf­for­de­rung zur Inter­es­sens­be­stä­ti­gung die objek­ti­ven und nicht dis­kri­mi­nie­ren­den Eig­nungs­kri­te­ri­en bekannt geben, die für die Begren­zung der Zahl erheb­lich sind. Fer­ner die vor­ge­se­he­ne Min­dest­zahl und gege­be­nen­falls auch die Höchst­zahl der ein­zu­la­den­den Bewer­ber.

Inter­es­sant für Archi­tek­ten und Inge­nieu­re ist die Aus­wahl unter den ver­blei­ben­den Bewer­bern durch Los, die § 75 Abs. 6 VG V zulässt. Für öffent­li­che Auf­trag­ge­ber ergibt sich die Not­wen­dig­keit, ein sol­ches Los­ver­fah­ren durch eine neu­tra­le Per­son über­prü­fen und beglei­ten zu las­sen. Für Archi­tek­ten und Inge­nieu­re ist wesent­lich, dass „nicht zu früh“ in das Los­ver­fah­ren gewech­selt wird, son­dern zum einen die vor­ge­ge­be­ne Höchst­zahl an Bewer­bern über­schrit­ten ist und zum ande­ren durch die betref­fen­den Bewer­ber glei­cher­ma­ßen die­je­ni­gen Eig­nungs­kri­te­ri­en erfüllt wer­den, die für die Begren­zung der Zahl in der Auf­trags­be­kannt­ma­chung bzw. Auf­for­de­rung zur Inter­es­sens­be­stä­ti­gung mit­ge­teilt wur­den.

Zuschlags­kri­te­ri­en

Orga­ni­sa­ti­on, Qua­li­fi­ka­ti­on und Erfah­rung des Per­so­nals, das den Auf­trag aus­füh­ren soll, dür­fen als Zuschlags­kri­te­ri­en vor­ge­se­hen wer­den. Dies gilt selbst­ver­ständ­lich auch für Archi­tek­ten- und Inge­nieur­leis­tun­gen, da die Qua­li­tät des ein­ge­setz­ten Per­so­nals deut­li­chen Ein­fluss auf die Aus­füh­rung des Auf­trags hat. Auf der ande­ren Sei­te dür­fen die vor­ge­nann­ten Kri­te­ri­en nicht dop­pelt berück­sich­tigt wer­den.

Der Preis darf nach § 67 Abs. 1 VgV nicht das allei­ni­ge Zuschlags­kri­te­ri­en sein. Denn Archi­tek­ten- und Inge­nieur­leis­tun­gen wer­den „im Leis­tungs­wett­be­werb“ ver­ge­ben, sodass das wesent­li­che Zuschlags­kri­te­ri­um die Qua­li­tät zu sein hat. Dies gewinnt beson­de­re Bedeu­tung unter Berück­sich­ti­gung von § 58 Abs. 2 Satz 3 VgV. Danach kann der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber auch Fest­prei­se oder Fest­kos­ten vor­ge­ben, sodass das wirt­schaft­lichs­te Ange­bot aus­schließ­lich nach qua­li­ta­ti­ven, umwelt­be­zo­ge­nen oder sozia­len Zuschlags­kri­te­ri­en bestimmt wird. Soweit also Hono­rar­be­stand­tei­le frei bestimm­bar sind – die Min­dest­sät­ze der HOAI dür­fen selbst­re­dend nicht unter­schrit­ten wer­den, wenn und soweit der Bie­ter an die HOAI gebun­den ist –, kann der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber Fest­prei­se bestim­men und den Wett­be­werb bei­spiels­wei­se über die Qua­li­tät des Ange­bots und/oder des Per­so­nals ent­schei­den. Der Auf­trag­ge­ber muss das Preis­recht der Archi­tek­ten mit ande­ren Wor­ten ganz genau ken­nen, wenn er von der Mög­lich­keit, Fest­prei­se fest­zu­le­gen, Gebrauch machen möch­te.

Lösungs­vor­schlä­ge

Ver­langt der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber Lösungs­vor­schlä­ge, so ent­sprach es der Pra­xis nach VOF, die­se auch zu ver­gü­ten. Das hat sich lei­der womög­lich geän­dert. Zwar schreibt § 77 Abs. 2 VgV vor, dass der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber außer­halb von Pla­nungs­wett­be­wer­ben die Aus­ar­bei­tung von Lösungs­vor­schlä­gen für die gestell­te Pla­nungs­auf­ga­be in Form von Ent­wür­fen, Plä­nen, Zeich­nun­gen, Berech­nun­gen oder ande­ren Unter­la­gen ange­mes­sen ver­gü­ten soll. Aller­dings erschließt sich nicht so recht, ob die­se Bestim­mung eine Anspruchs­grund­la­ge ist, oder ob es auf die Fest­le­gung des ört­li­chen Auf­trag­ge­bers in den Ver­ga­be­un­ter­la­gen ankommt. Im Zwei­fel ist der Archi­tekt bzw. Inge­nieur gut bera­ten, auf eine Ver­gü­tungs­re­ge­lung in den Ver­ga­be­un­ter­la­gen zu behar­ren. Inso­weit gibt es ver­ga­be­recht­lich vor­ge­zeich­ne­te Wege, die der Archi­tekt am bes­ten nicht allein beschrei­tet.

Pla­nungs­wett­be­wer­be

Der zwei­te Teil der spe­zi­el­len Rege­lun­gen für Archi­tek­ten-und Inge­nieur­leis­tun­gen in Abschnitt 6 der Ver­ga­be­ver­ord­nung befasst sich mit Pla­nungs­wett­be­wer­ben. Inter­es­sant ist zunächst § 78 Abs. 2 Satz 3 VgV. Danach prüft der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber bei Auf­ga­ben­stel­lun­gen im Hoch‑, Städ­te- und Brü­cken­bau sowie in der Land­schaft- und Frei­raum­pla­nung, ob für die­se ein Pla­nungs­wett­be­werb durch­ge­führt wer­den soll, und doku­men­tiert sei­ne Ent­schei­dung. Dar­aus folgt unse­res Erach­tens, dass vor der Ein­lei­tung eines Ver­ga­be­ver­fah­rens von Archi­tek­ten- und Inge­nieur­leis­tun­gen stets und aus­nahms­los zu prü­fen und anschlie­ßend zu doku­men­tie­ren ist, ob sich die Pla­nungs­vor­ga­be durch eine Pla­nungs­wett­be­werb bes­ser rea­li­sie­ren lässt als bei­spiels­wei­se durch ein Ver­hand­lungs­fah­ren mit öffent­li­chem Teil­nah­me­wett­be­werb.

Fazit

Die Rege­lun­gen der VgV im all­ge­mei­nen Teil und im sechs­ten Abschnitt wei­sen eine höhe­re Dich­te auf als die der VOF. Man kann sich also sowohl als Bie­ter als auch als Ver­ga­be­stel­le schnel­ler ver­tun. Bedau­er­li­cher­wei­se nach wie vor unge­klärt ist die äußerst pra­xis­re­le­van­te Fra­ge, ob der Auf­trags­wert von Fach­pla­nun­gen in ein und dem­sel­ben Bau­vor­ha­ben zu addie­ren ist oder nicht. Unse­res Erach­tens ist der New­co­mer-Schutz ver­stärkt wor­den. Indes­sen gibt es auch hier zahl­rei­che „Aus­we­ge“ für inter­es­sier­te öffent­li­che Auf­trag­ge­ber. Streit­an­fäl­lig ist nach wie vor die Fra­ge, ob und inwie­weit Lösungs­vor­schlä­ge zu ver­gü­ten sind. Gege­be­nen­falls hat sich hier jedoch die Rechts­la­ge ver­gli­chen mit der VOF für Archi­tek­ten und Inge­nieu­re ver­schlech­tert.

*Die­ser Rechts­tipp ersetzt kei­nen anwalt­li­chen Rat im Ein­zel­fall. Er ist natur­ge­mäß unvoll­stän­dig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezo­gen und stellt zudem eine Moment­auf­nah­me dar, da sich gesetz­li­che Grund­la­gen und Recht­spre­chung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denk­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen abde­cken, dient Unter­hal­tungs- und Erst­ori­en­tie­rungs­zwe­cken und soll Sie zur früh­zei­ti­gen Abklä­rung von Rechts­fra­gen moti­vie­ren, nicht aber davon abhal­ten.

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