Ver­ga­ben im Open-House-Modell und Rechts­schutz für Bie­ter*

Kran­ken­kas­sen schrei­ben zuneh­mend nach dem Open-House-Modell aus. Betrof­fen sind v. a. Rabatt­ver­trä­ge. Phar­ma­zeu­ti­sche Unter­neh­men fra­gen – zu Recht – nach Rechts­schutz. Eini­ge Hin­wei­se.

Open-House-Modell – was ist das?

Nach inzwi­schen herr­schen­der Mei­nung muss der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber eine Aus­wahl­ent­schei­dung tref­fen, damit das Ver­ga­be­recht anzu­wen­den ist. Dar­an fehlt es bei Open-House-Model­len. Wäh­rend der Lauf­zeit einer Open-House-Beschaf­fung ver­pflich­tet sich die Kas­se näm­lich dazu, mit jedem Wirt­schafts­teil­neh­mer, der sich sei­ner­seits ver­pflich­tet, die betref­fen­den Lie­fe­run­gen zu im Vor­hin­ein fest­ge­leg­ten Bedin­gun­gen zu erbrin­gen, einen Ver­trag zu schlie­ßen. Und zwar ohne unter den inter­es­sier­ten Bie­tern eine wei­te­re Aus­wahl vor­zu­neh­men und mit der stän­dig bestehen­den Mög­lich­keit für inter­es­sier­te Unter­neh­men, dem Open-House-Sys­tem wäh­rend der Lauf­zeit bei­zu­tre­ten. Und zwar nicht nur wäh­rend einer „Ein­gangs­pha­se“, wie der EuGH fest­hält, son­dern wäh­rend der gesam­ten Lauf­zeit (vgl. EuGH, Urt. v. 2.6.2016, Rs. C‑410/14). Erfor­der­lich ist ledig­lich, so der EuGH, eine Bekannt­ma­chung, „die es den poten­zi­ell inter­es­sier­ten Wirt­schafts­teil­neh­mern ermög­licht, vom Ablauf und von den wesent­li­chen Merk­ma­len eines Zulas­sungs­ver­fah­rens wie des im Aus­gangs­ver­fah­ren in Rede ste­hen­den gebüh­rend Kennt­nis zu neh­men“ (EuGH, Urt. v. 2.6.2016, Rs. C‑410/14).

Fol­gen für die ver­ga­be­recht­li­che Über­prüf­bar­keit

Der Dreh- und Angel­punkt ist zunächst die Fra­ge, ob eine Aus­wahl­ent­schei­dung getrof­fen wur­de. Ver­neint man dies und liegt auch sonst eine Ver­ga­be nach dem Open-House-Modell vor, so dürf­ten die Ver­ga­benach­prü­fungs­in­stan­zen unzu­stän­dig sein.

Zu klä­ren ist, ob im Ein­zel­fall tat­säch­lich im Wege des Open-House-Modells beschafft wird, oder ob die betref­fen­de Kran­ken­kas­se eine Falsch­be­zeich­nung gewählt hat, in der Sache also z. B. eine ech­te, dem Ver­ga­be­recht unter­wor­fe­ne Rah­men­ver­ein­ba­rung abschließt, deren Ver­ga­be von den Ver­ga­benach­prü­fungs­in­stan­zen auch über­prüft wer­den kann.

Dies wird man zumin­dest dann zu erör­tern haben, wenn der Rabatt­ver­trag so aus­ge­stal­tet sein soll, dass es rein tat­säch­lich aus wirt­schaft­li­chen Grün­den nur einer begrenz­ten Anzahl von Bie­tern mög­lich ist, dem Open-House-Modell bei­zu­tre­ten. Dies kann aber auch dann der Fall sein, wenn Bie­tern schlicht mit­ge­teilt wird, sie wür­den nicht zuge­las­sen. In bei­den Fäl­len stellt sich näm­lich die Fra­ge, ob nicht eine „ver­schlei­er­te Aus­wahl­ent­schei­dung“ getrof­fen wird.

Über­prü­fung durch ande­re Gerichts­bar­kei­ten

Unab­hän­gig davon ist im Ein­zel­fall zu prü­fen, ob die kon­kre­te Aus­wahl, die z. B. durch einen Arzt oder Apo­the­ker erfolgt, recht­lich ein­wand­frei ist. Dies kann dann auch gericht­lich kon­trol­liert wer­den, ggf. in Eil­ver­fah­ren. Hier ist die Zivil- und/oder die Sozi­al­ge­richts­bar­keit ange­spro­chen.

Auch fragt sich, ob die Zulas­sung nach dem Open-House-Modell durch die Zivil- und/oder die Sozi­al­ge­richts­bar­keit kon­trol­liert wer­den kann. Hier wer­den bie­ten­de Unter­neh­men ggf. Neu­land betre­ten müs­sen.

*Die­ser Rechts­tipp ersetzt kei­nen anwalt­li­chen Rat im Ein­zel­fall. Er ist natur­ge­mäß unvoll­stän­dig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezo­gen und stellt zudem eine Moment­auf­nah­me dar, da sich gesetz­li­che Grund­la­gen und Recht­spre­chung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denk­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen abde­cken, dient Unter­hal­tungs- und Erst­ori­en­tie­rungs­zwe­cken und soll Sie zur früh­zei­ti­gen Abklä­rung von Rechts­fra­gen moti­vie­ren, nicht aber davon abhal­ten.

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