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Kei­ne Rech­te aus EU-Richt­li­ni­en für Dritt­staa­ten-Unter­neh­men

Im Zen­trum der EuGH-Ent­schei­dung (Rs. C‑266/22) steht ein Ver­ga­be­ver­fah­ren über ein Eisen­bahn­in­fra­struk­tur­pro­jekt in Kroa­ti­en mit einem Volu­men von rund 200 Mil­lio­nen Euro. Teil­ge­nom­men hat­te auch ein tür­ki­sches Bau­un­ter­neh­men – also ein Bie­ter aus einem Dritt­staat ohne GPA-Mit­glied­schaft. 

Nach­dem der Zuschlag an ein ande­res Unter­neh­men ging, mach­te das tür­ki­sche Unter­neh­men gel­tend, es sei bei der Prü­fung der Eig­nungs­nach­wei­se ungleich behan­delt wor­den. Die Kla­ge bezog sich auf die EU-Sek­to­ren­ver­ga­be­richt­li­nie 2014/25. Das zustän­di­ge kroa­ti­sche Gericht leg­te dem EuGH im Wege eines Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­rens meh­re­re Fra­gen zur Aus­le­gung die­ser Richt­li­nie vor – ins­be­son­de­re zur Zuläs­sig­keit natio­na­ler Rege­lun­gen über den Zugang von Dritt­staa­ten-Unter­neh­men zu öffent­li­chen Ver­ga­be­ver­fah­ren. 

Die Ent­schei­dungs­be­spre­chung von unse­rem Rechts­an­walt Achim Wies­mann im Video: 

Kern­punkt der Ent­schei­dung: Kei­ne Rech­te aus EU-Richt­li­ni­en für Dritt­staa­ten-Unter­neh­men 

Der EuGH ent­schied, dass die Sek­to­ren­ver­ga­be­richt­li­nie kei­ne Rech­te für Unter­neh­men aus Dritt­staa­ten begrün­det – es sei denn, die­se Dritt­staa­ten sind dem GPA (Govern­ment Pro­cu­re­ment Agree­ment) bei­getre­ten oder haben ein ent­spre­chen­des bila­te­ra­les Abkom­men mit der EU geschlos­sen. 

Im vor­lie­gen­den Fall traf dies auf die Tür­kei nicht zu. Der EuGH stell­te zudem klar: Natio­na­le Gesetz­ge­ber dür­fen weder eigen­stän­dig Rech­te für Dritt­staa­ten-Unter­neh­men schaf­fen noch deren Aus­schluss nor­ma­tiv anord­nen – denn die Han­dels­po­li­tik liegt aus­schließ­lich in der Zustän­dig­keit der EU. 

Ein öffent­li­cher Auf­trag­ge­ber darf Dritt­staa­ten-Bie­ter im Ein­zel­fall zulas­sen oder aus­schlie­ßen. Die­se Ent­schei­dung muss jedoch indi­vi­du­ell im jewei­li­gen Ver­fah­ren getrof­fen wer­den. Ein gene­rel­les gesetz­li­ches Ver­bot oder Gebot ver­stößt gegen EU-Recht. 

Tipps für öffent­li­che Auf­trag­ge­ber: Ent­schei­dungs­frei­heit, aber kein Frei­fahrt­schein 

  • Prüf­pflicht statt Auto­ma­tis­mus: Auf­trag­ge­ber müs­sen den Zugang von Dritt­staa­ten-Bie­tern im Ein­zel­fall bewer­ten – pau­scha­le natio­na­le Aus­schlüs­se sind unzu­läs­sig. 
  • Kein Rechts­an­spruch auf Teil­nah­me: Dritt­staa­ten-Unter­neh­men haben kein sub­jek­ti­ves Recht auf Gleich­be­hand­lung im Sin­ne der EU-Ver­ga­be­richt­li­ni­en. 
  • Trans­pa­ren­te Doku­men­ta­ti­on: Wird ein Dritt­staa­ten-Bie­ter zuge­las­sen oder aus­ge­schlos­sen, soll­te die Ent­schei­dung im Ver­ga­be­ver­merk gut doku­men­tiert wer­den. 
  • Ach­tung bei natio­na­len Rege­lun­gen: Gesetz­li­che Vor­ga­ben, die ohne EU-Ermäch­ti­gung den Zugang beschrän­ken oder vor­schrei­ben, sind oft rechts­wid­rig. 

Tipps für Bie­ter und Zuwen­dungs­emp­fän­ger: Betei­li­gung mög­lich – aber recht­lich sen­si­bel 

  • Ein­zel­fall­prü­fung beach­ten: Die Teil­nah­me von Dritt­staa­ten-Bie­tern ist zuläs­sig, aber nicht garan­tiert. Sie erfolgt auf Ent­schei­dung des jewei­li­gen Auf­trag­ge­bers. 
  • Kei­ne Beru­fung auf EU-Recht: Unter­neh­men aus Dritt­staa­ten kön­nen sich nicht auf die EU-Ver­ga­be­richt­li­ni­en beru­fen – weder zur Teil­nah­me noch im Nach­prü­fungs­ver­fah­ren. 
  • Rechts­be­helf? Nur ein­ge­schränkt: Ein Dritt­staa­ten-Bie­ter kann allen­falls auf Basis natio­na­len Rechts eine Rüge erhe­ben – und auch das nur dann, wenn die­ses Recht nicht der Umset­zung von EU-Recht dient. 
  • For­ma­le Prä­senz zählt: Toch­ter­ge­sell­schaf­ten in der EU gel­ten in der Regel als inlän­di­sche Unter­neh­men – der Sitz ist ent­schei­dend, nicht die Kon­zern­struk­tur. 
Hin­weis: Die­ser Rechts­tipp ersetzt kei­nen anwalt­li­chen Rat im Ein­zel­fall. Er ist natur­ge­mäß unvoll­stän­dig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezo­gen und stellt zudem eine Moment­auf­nah­me dar, da sich gesetz­li­che Grund­la­gen und Recht­spre­chung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denk­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen abde­cken, dient Unter­hal­tungs- und Erst­ori­en­tie­rungs­zwe­cken und soll Sie zur früh­zei­ti­gen Abklä­rung von Rechts­fra­gen moti­vie­ren, nicht aber davon abhal­ten. aban­te Rechts­an­wäl­te war nicht am Ver­fah­ren betei­ligt und hat kei­ne Par­tei im Streit­ver­fah­ren ver­tre­ten.

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