Die Ange­bots­ab­ga­be per E‑Mail im Ver­ga­be­ver­fah­ren – ein paar Hin­wei­se*

Die E‑Mail ist der Brief unse­rer Zeit, und war­um soll sie nicht auch im Ver­ga­be­ver­fah­ren die zen­tra­le Funk­ti­on ein­neh­men, die ihr gebührt?

Text­form im Sin­ne von § 126b BGB

Wenn Ihnen als Auf­trag­ge­ber ein Ange­bot in Text­form aus­reicht, dann müs­sen Sie das auch mit­tei­len. Durch die­se Mit­tei­lung schlie­ßen Sie jedoch die Nut­zung von E‑Mails im Ver­ga­be­ver­fah­ren – auch zur Ange­bots­ab­ga­be – kei­nes­wegs aus. Im Gegen­teil, die E‑Mail, rich­tig ver­wen­det, erfüllt die Text­for­m­an­for­de­rung im Sin­ne des § 126b BGB. Und zwar ganz unpro­ble­ma­tisch.

Text­form, was ist das?

Jetzt gibt es Auf­trag­ge­ber, die qua­si-eige­ne Text­form­be­grif­fe in ihren Ver­ga­be­un­ter­la­gen ver­wen­den, also eine wei­te­re, qua­si-beson­de­re Text­form neben der des BGB zu ken­nen schei­nen. Ich kann hier nur war­nen, auch vor einer Über­in­ter­pre­ta­ti­on ein­zel­ner Ent­schei­dun­gen der Ver­ga­benach­prü­fungs­in­stan­zen, die eher streng mit dem Bie­ter sind und dem Auf­trag­ge­ber ein Begriffs­er­fin­dungs­recht zuzu­er­ken­nen schei­nen. Im Zwei­fel ist Text­form die lan­ge bekann­te Text­form des BGB.

E‑Mail als elek­tro­ni­sches Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, aber …

Eben­so klar soll­te sein, dass die E‑Mail ein elek­tro­ni­sches Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel ist. Soweit die Ver­ga­be­ord­nun­gen also ver­lan­gen, dass elek­tro­nisch kom­mu­ni­ziert wird, ist die E‑Mail im Spiel. Nur, reicht das schon aus? Wenn man genau­er hin­schaut, Nein. Denn es darf auf die emp­fan­ge­nen Daten nicht vor­fris­tig zuge­grif­fen wer­den. D.h.: Der Bie­ter gibt das Ange­bot per E‑Mail ab, es geht zwei Stun­den vor Frist­ab­lauf im E‑Mail-Post­fach des Auf­trag­ge­bers ein. Theo­re­tisch könn­te der Auf­trag­ge­ber nun das Ange­bot öff­nen, das darf er aber nicht und die elek­tro­ni­schen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel sol­len gera­de sicher­stel­len, dass er das auch nicht kann. Auch eine Kom­bi­na­ti­on der E‑Mail mit einer Ver­schlüs­se­lung hilft über die­ses Pro­blem nicht hin­weg.

Also Fehl­an­zei­ge?

Ja, kei­ne Ange­bots­ab­ga­be per E‑Mail. Doch was gilt, wenn es aus­drück­lich erlaubt ist? Vie­le Auf­trag­ge­ber schrei­ben in ihre Beschaf­fungs- und Ver­ga­be­ord­nun­gen hin­ein, dass eine Ange­bots­ab­ga­be per E‑Mail zuläs­sig sein soll, zumin­dest bis zu bestimm­ten Auf­trags­wer­ten. Hier gilt wie­der­um: Vor­sicht! Die Kern­fra­ge ist, darf der Auf­trag­ge­ber so was über­haupt fest­le­gen. Ober­halb der EU-Schwel­len­wer­te lau­tet die Ant­wort mei­nes Erach­tens ganz klar Nein! Unter­halb der Schwel­len­wer­te muss man es womög­lich dif­fe­ren­ziert betrach­ten. Als Bei­spiel die fol­gen­de, zunächst etwas abs­trak­te Über­le­gung: Ein Auf­trag­ge­ber, der für die dem Lan­des­ver­ga­be­recht unter­lie­gen­den Beschaf­fun­gen eine vom Lan­des­ver­ga­be­recht, z. B. der UVgO, abwei­chen­de Vor­ga­be macht, ohne hier­für kom­pe­tent zu sein, han­delt rechts­wid­rig. Etwas prak­ti­scher for­mu­liert: Wenn eine Kom­mu­ne eine Ange­bots­ab­ga­be per E‑Mail erlaubt, die Beschaf­fung aber der Lan­des-UVgO unter­liegt, die im betref­fen­den Bun­des­land durch ein­fa­chen Ver­weis für anwend­bar erklärt wur­de – also ohne Zusät­ze oder Ein­schrän­kun­gen –, dann irrt sich die­se Kom­mu­ne und führt mas­sen­haft rechts­wid­ri­ge Ver­ga­ben durch.

Ach­tung, Chan­ce für Bie­ter!

Wenn die Ange­bots­ab­ga­be per E‑Mail also unzu­läs­sig ist, aber trotz­dem auf Wunsch des Auf­trag­ge­bers geschieht oder vom Auf­trag­ge­ber zuge­las­sen wird, dann erge­ben sich Chan­cen für unter­le­ge­ne Bie­ter. Die­se kön­nen mög­li­cher­wei­se eine Zurück­ver­set­zung des Ver­ga­be­ver­fah­rens errei­chen. Denn wich­ti­ge Form­vor­schrif­ten wur­den ver­letzt, und somit ist auch nicht aus­ge­schlos­sen, dass das Ver­ga­be­ver­fah­ren ohne Mani­pu­la­ti­on durch­ge­führt wur­de. Das ist also ein Ein­falls­tor für aller­lei ärger­li­chen Streit, das ver­nünf­ti­ge Auf­trag­ge­ber ent­we­der gar nicht erst öff­nen oder sofort wie­der schlie­ßen soll­ten. *Die­ser Rechts­tipp ersetzt kei­nen anwalt­li­chen Rat im Ein­zel­fall. Er ist natur­ge­mäß unvoll­stän­dig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezo­gen und stellt zudem eine Moment­auf­nah­me dar, da sich gesetz­li­che Grund­la­gen und Recht­spre­chung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denk­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen abde­cken, dient Unter­hal­tungs- und Erst­ori­en­tie­rungs­zwe­cken und soll Sie zur früh­zei­ti­gen Abklä­rung von Rechts­fra­gen moti­vie­ren, nicht aber davon abhal­ten.

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