Teilweise Rücknahme eine Zuwendung, durch den Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes nach §49 Abs.3 Nr.2 VwVfG
Leitsätze:
- Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, wie die Zuwendung von Fördermitteln, kann nur (teilweise) zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte gegen eine Auflage des Verwaltungsaktes verstößt. Ein bloßer vergaberechtlicher Verstoß reicht nicht per se.
- Die gesetzlich in§ 49 Abs. 3 VwVfG normierten Widerrufsgründe sind abschließend
- Ziffer 3.2 AN Best-EU stellt zwar eine Auflage dar, jedoch ausschließlich für die Vergabe von Aufträgen, deren Auftragswert voraussichtlich mehr als 100.000,00 Euro netto beträgt.
- Ob bei einer solchen Berechnung, die Lose addiert oder einzeln betrachtet werden hängt bei Bauleistungen davon ab, ob die einzelnen Lose für sich betrachtet eine abgeschlossene wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen.
Sachverhalt
Die Klägerin beantragte beim Beklagten die Gewährung einer Zuwendung für die Entwicklung des ländlichen Raumes („LEADER“ – Programm) zur Entwicklung eines Gemeindezentrums. Die Fördermittel in Höhe von 875.976,64 EUR wurden gewährt. Die Klägerin sollte mit dieser Zuwendung als öffentliche Auftraggeberin tätig werden. Sie vergab die Leistung in mehreren Losen.
Streitgegenständlich sind hier die Lose 1. 2 und 3 mit einem geschätzten Nettoauftragswert von 24.000 EUR, 43.000 EUR und 210.000 EUR. Die Vergabeart war eine öffentliche Ausschreibung. Es gab keine Angaben zu den vorzulegenden Eignungsnachweisen. In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist angegeben, dass eine Eigenerklärung zur Eignung erst auf Nachforderung einzureichen sei. Vier Bieter gaben ein Angebot ab. Drei Bieter wurden ausgeschlossen. Einer wegen unzulässiger Änderung der Vergabeunterlagen. Der zweite wurde aufgrund fehlender Zeitansätze ausgeschlossen, da so der Preis nicht überprüft werden konnte. Der Dritte wurde aufgrund fehlender Eignung ausgeschlossen.
Bei der Überprüfung des zweiten Auszahlungsantrags der Klägerin stellte der Beklagte Unregelmäßigkeiten, insbesondere bei der Vergabe von Aufträgen fest. Er forderte deshalb die Klägerin zur Nachreichung von Unterlagen auf, mit der Begründung, dass aus den bisher vorgelegten Unterlagen u.a. nicht erkennbar sei, ob und wo die Eignungs- und Zuschlagskriterien veröffentlicht worden seien.
Der Beklagte reagierte auf das Fehlen der Veröffentlichung der Eignungs- und Zuschlagskriterien damit, dass er mit einem Änderungsbescheid nur noch eine Zuwendung von 858.270,35 EUR bewilligte. Dies stellt eine Differenz zum ursprünglichen Betrag in Höhe von 17.706,29 EUR dar. Diese Kürzung setzt sich aus zwei Posten zusammen. Zum einen wurde der Betrag dauerhaft um 17.614,92 EUR reduziert. Dies sei in Anwendung des Art.56 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 geschehen, da es sich bei der fehlenden Bekanntmachung von Eignungs- und Zuschlagskriterien um einen Verstoß gegen §12 VOB/A handele. Zum anderen sei der Betrag um 91,37 EUR zu kürzen, weil die Rechnung zum 2. Nachtrag des Bauunternehmers H nicht förderfähig sei, weil es keinerlei Informationen zu einem Nachtrag gebe. Hiergegen erhob die Klägerin zunächst Widerspruch und schließlich Klage.
Rechtliche Würdigung
Die Dritte Kammer des Verwaltungsgerichts Cottbus hat entschieden, dass der Bescheid des Beklagten aufgehoben wird, soweit die Zuwendung um mehr als 9.458,86 EUR gekürzt wird. Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtswidrig, wie er den Widerruf wegen Vergaberechtsfehlern bei den Losen 1 und 2 betrifft. Die Klägerin ist insoweit in ihren Rechten verletzt, §113 Abs.1 S.1 VwGO. Bezüglich Los 3 erweist sich der Bescheid als rechtmäßig. In Höhe von 9.367,49 EUR findet der Bescheid seine Rechtsgrundlage in §49 Abs.3 Satz 1 Nr.2 VwVfG. Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Eine Auflage ist eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG). Lediglich Los 3 ist mit einer Auflage verbunden worden.
Entgegen der Ansicht des Beklagten kann ein Widerruf nicht wegen Vergaberechtsverstößen erfolgen, die nicht als Auflage in das Zuwendungsverhältnis einbezogen worden sind. Ein spezieller Widerrufsgrund ergibt sich insbesondere nicht aus den hier einschlägigen EU-Verordnungen.
Als Auflage in das Zuwendungsverhältnis einbezogen ist die Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Vergabe von Bauleistungen ausschließlich Aufträge, deren Auftragswert voraussichtlich mehr als 100.000,00 Euro netto beträgt. Dies ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Ziffer 3.2 AN Best-EU, wonach bei Überschreiten dieses Auftragswerts bei der Vergabe von Aufträgen für Bauleistungen der Abschnitt 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A – VOB/A anzuwenden ist, sofern die Zuwendung mehr als 50 Prozent der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben eines Vorhabens und der Auftragswert voraussichtlich mehr als 100.000 Euro netto beträgt. Dem Zuwendungsempfänger wird, insbesondere mit der Formulierung „sind anzuwenden“, ein bestimmtes Tun vorgeschrieben.
Von den streitgegenständlichen Losen liegt ausschließlich der Auftragswert des Loses 3 (Rohbau) über dieser Grenze. Der geschätzte Auftragswert betrug 210.000,00 Euro. Die Einhaltung von vergaberechtlichen Vorschriften wie §12 VOB/A ist also bloß eine Auflage für Los 3. § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. u VOB/A soll die Bekanntmachung einer öffentlichen Ausschreibung die verlangten Nachweise für die Beurteilung der Eignung des Bewerbers oder Bieters beinhalten. Dies war hier unstreitig nicht der Fall.
Auch aus Ziffer 7 der im Zuwendungsbescheid aufgeführten Nebenbestimmungen ergibt sich hier keine Auflage für die Vergabe eines Auftrags mit einem Wert unter 100.000,00 Euro. Dort heißt es, hinsichtlich der anzuwendenden Vorschriften aufgrund der Nummer 3 AN Best-EU werde auf den beigefügten Leitfaden zur Einhaltung der Vergabevorschriften verwiesen. Dies kann aus Empfängersicht nur einen Hinweis darstellen, ohne dass dadurch die Einhaltung des gesamten Vergaberechts in das Zuwendungsverhältnis als Auflage einbezogen würde. Eine solche weite Auslegung würde der – jedenfalls soweit die Vergabe von Bauleistungen unter 100.000,00 Euro betroffen ist – klaren Formulierung der Ziffer 3.2 der AN Best-EU widersprechen. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin die Auftragswerte getrennt berechnete. Zwar sehen die nach Ziffer 3.2 5. 2 AN Best-EU anwendbaren Verwaltungsvorschriften zur LHO in Ziffer 3.3 zu§ 55 vor, dass bei einer Aufteilung in Lose für das Erreichen der Wertgrenzen die Summe der addierten Lose maßgeblich sind. Hierfür ist allerdings entscheidend, ob ein Auftrag isoliert als zu betrachtender Einzelauftrag oder als Los eines Gesamtauftrages zu qualifizieren ist. Bei Sanierungsaufträgen ist darauf abzustellen, ob einzelne Bauabschnitte für sich betrachtet abgeschlossene wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen.
Soweit der zahlbare Betrag um 91,37 Euro gekürzt wurde, ist die Klägerin dem nicht entgegengetreten und hat hierzu – trotz Hinweises des Gerichts – nicht vorgetragen, andererseits aber auch den Klageantrag nicht auf die Vergaberechtsverstöße beschränkt.
Fazit
Der Sachverhalt dreht sich um eine Auseinandersetzung zwischen der Klägerin, die eine öffentliche Förderung bzw. Subvention erhalten hat, und dem Beklagten, der als zuständige Behörde für die Rückforderung von EU-Mitteln im Rahmen einer Verwaltungsentscheidung zuständig ist. Wegen eines Vergaberechtsverstoßes kann eine Rückforderung nach §49 VwVfG nur erfolgen, wenn es sich dabei um einen Verstoß gegen eine Auflage handelt. Ein zu allgemein gehaltener Hinweis auf die Einhaltung vergaberechtlichen Vorschriften kann den Anforderungen einer Auflage unter Umständen nicht genügen. Zur Berechnung von Auftragswerten bei Sanierungsaufträgen ist darauf achten, ob einzelne Bauabschnitte für sich betrachtet abgeschlossene wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen. So die Kurzfassung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Dies kann man freilich aber auch anders sehen. Schon die Ausprägung in Form von Losen – anstatt von getrennten Vergabeverfahren – spricht dafür, die Auftragswerte zu addieren. Auch die Zusammenfassung in ein und derselben Förderung, für die offenbar auch ein und derselbe Bescheid erlassen wurde, spricht dafür.
Der Zuwendungsempfänger hat also Glück gehabt. Übrigens auch noch in ganz anderer Hinsicht. Es wäre ein wesentlich höherer Widerruf möglich gewesen wäre, wenn man sich den Verlauf der Vergabe anschaut. Durchatmen und weitermachen.
VG Cottbus, Urteil vom 3. Februar 2023 – 3 K 1618/19
Quelle: Landesrechtsportal Brandenburg | Entscheidungsdatenbank der Gerichte in Brandenburg