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Aktuelles Vergaberecht in 15 Minuten – Spezialausgabe mit Stefan Labesius: IP-Verletzung als schwere berufliche Verfehlung 

Aktu­el­les Ver­ga­be­recht in 15 Minu­ten – Spe­zi­al­aus­ga­be mit Ste­fan Labe­si­us: IP-Ver­let­zung als schwe­re beruf­li­che Ver­feh­lung 

Zum Jah­res­en­de begrüß­te Dr. Chris­toph Kins im Rah­men des Online-For­mats „Aktu­el­les Ver­ga­be­recht in 15 Minu­ten“ einen Gast. Gemein­sam mit Ste­fan Labe­si­us von KROHN Rechts­an­wäl­te wur­de der Beschluss des OLG Düs­sel­dorf vom 22. Juni 2022 (Az.: Verg 36 / 21) bespro­chen. Im Wesent­li­chen geht es um die Bedeu­tung von Patent­ver­let­zun­gen im Rah­men von Ver­ga­be­ver­fah­ren. 

In die­sem Bei­trag fas­sen wir für Sie die wesent­li­chen Punk­te zusam­men. Hier gelan­gen Sie zum Video der Bespre­chung der Ent­schei­dung:

IP-Ver­let­zung als schwe­re beruf­li­che Ver­feh­lung: Ana­ly­se der Ent­schei­dung des OLG Düs­sel­dorf

Die Ent­schei­dung des Ober­lan­des­ge­richts (OLG) Düs­sel­dorf vom 22. Juni 2022 hat die Rol­le von Schutz­rechts­ver­let­zun­gen in Ver­ga­be­ver­fah­ren beleuch­tet. Ins­be­son­de­re stand die Fra­ge im Mit­tel­punkt, wann eine Patent­ver­let­zung als „schwe­re beruf­li­che Ver­feh­lung“ gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB gewer­tet wer­den kann.

Hin­ter­grund: Streit um Sturm­ge­weh­re

Im Fokus stand ein EU-wei­tes Ver­ga­be­ver­fah­ren zur Lie­fe­rung von Sturm­ge­weh­ren. Ein Bie­ter wur­de aus­ge­schlos­sen, nach­dem Gut­ach­ten nahe­leg­ten, dass das ange­bo­te­ne Pro­dukt ein Patent eines Mit­be­wer­bers ver­let­ze. Die Antrag­stel­le­rin bestritt dies und argu­men­tier­te, das Patent sei nich­tig oder nicht ver­letzt. Der Aus­schluss führ­te zu einem Nach­prü­fungs­ver­fah­ren, wel­ches schließ­lich vor dem OLG Düs­sel­dorf ent­schie­den wur­de.

Das Urteil bezieht sich zwar auf die Beschaf­fung von Sturm­ge­weh­ren, Patent­ver­let­zun­gen sind jedoch auch bei der Soft­ware­be­schaf­fung und sons­ti­gen Lie­fer­leis­tun­gen ein mehr als wich­ti­ges The­ma.

Die Ent­schei­dung des OLG Düs­sel­dorf

Das OLG bestä­tig­te den Aus­schluss des Bie­ters und stütz­te sich dabei auf fol­gen­de Kern­punk­te:

  • Rele­vanz von Schutz­rechts­ver­let­zun­gen: Das Gericht bekräf­tig­te, dass die Ver­let­zung von Schutz­rech­ten wie Paten­ten eine beruf­li­che Ver­feh­lung dar­stel­len kann, die geeig­net ist, die Inte­gri­tät eines Unter­neh­mens infra­ge zu stel­len. Ent­schei­dend war, dass die Ver­let­zung nach­voll­zieh­bar und gut­ach­ter­lich unter­mau­ert wur­de.
  • Ermes­sens­spiel­raum des Auf­trag­ge­bers: Öffent­li­che Auf­trag­ge­ber dür­fen im Rah­men des Ver­ga­be­ver­fah­rens Schutz­rechts­fra­gen berück­sich­ti­gen, ohne zwin­gend eine gericht­li­che Klä­rung des Schutz­rechts abzu­war­ten.
  • Beweis­maß­stab: Ein Voll­be­weis der Ver­let­zung ist nicht erfor­der­lich. Es genügt, wenn die Beur­tei­lung auf sach­kun­di­gen und plau­si­blen Ein­schät­zun­gen beruht.

Das OLG beton­te, dass es dem Auf­trag­ge­ber obliegt, den Ver­hält­nis­mä­ßig­keits­grund­satz zu wah­ren. Das bedeu­tet, dass ein Aus­schluss nur dann zuläs­sig ist, wenn kei­ne mil­de­ren Maß­nah­men wie Nach­bes­se­run­gen infra­ge kom­men.

Kern­fra­gen der recht­li­chen Bewer­tung

  1. Prü­fung der Patent­ver­let­zung
    Der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber hat­te meh­re­re Gut­ach­ten ein­ge­holt, die eine Patent­ver­let­zung bejah­ten. Die Antrag­stel­le­rin ent­geg­ne­te, das Patent sei nich­tig. Das OLG stell­te klar, dass der Auf­trag­ge­ber kei­ne umfas­sen­de Prü­fung der Patent­be­stän­dig­keit durch­füh­ren muss. Es genügt, wenn eine Ver­let­zung plau­si­bel erscheint.
  2. Ver­hält­nis­mä­ßig­keit und sub­jek­ti­ve Kom­po­nen­te
    Der Aus­schluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB setzt eine „schwe­re beruf­li­che Ver­feh­lung“ vor­aus, die auch fahr­läs­sig began­gen sein kann. Das OLG argu­men­tier­te, dass die Antrag­stel­le­rin die Mög­lich­keit gehabt hät­te, poten­zi­el­le Schutz­rechts­ver­let­zun­gen früh­zei­tig zu prü­fen, ins­be­son­de­re auf­grund der lan­gen Ver­fah­rens­dau­er und der Bran­chen­kennt­nis­se.
  3. Recht­li­che Unsi­cher­hei­ten
    Das Gericht wies dar­auf hin, dass der Auf­trag­ge­ber sich auf sach­ver­stän­di­ge Gut­ach­ten stüt­zen darf, selbst wenn die Schutz­fä­hig­keit des Patents noch nicht abschlie­ßend geklärt ist. Hier­durch wird das Ver­ga­be­ver­fah­ren nicht unan­ge­mes­sen ver­zö­gert.

Aus­wir­kun­gen auf die Ver­ga­be­pra­xis

Die Ent­schei­dung ver­deut­licht, dass Schutz­rechts­fra­gen im Ver­ga­be­ver­fah­ren eine bedeu­ten­de Rol­le spie­len kön­nen. Auf­trag­ge­ber und Bie­ter soll­ten die fol­gen­den Punk­te beach­ten:

  • Kla­re Anfor­de­run­gen in der Aus­schrei­bung
    Auf­trag­ge­ber soll­ten die Anfor­de­run­gen an die Schutz­rechts­frei­heit klar und prä­zi­se for­mu­lie­ren. Dies kann hel­fen, Kon­flik­te früh­zei­tig zu ver­mei­den.
  • Prü­fung durch Bie­ter
    Bie­ter soll­ten sicher­stel­len, dass ihre Ange­bo­te frei von Schutz­rechts­ver­let­zun­gen sind. Eine sorg­fäl­ti­ge Prü­fung der Schutz­rechts­la­ge und gege­be­nen­falls die Ein­ho­lung von Gut­ach­ten sind essen­zi­ell.
  • Risi­ko­mi­ni­mie­rung durch Ver­trä­ge
    Ver­trags­klau­seln, die die Haf­tung für Schutz­rechts­ver­let­zun­gen regeln, kön­nen hel­fen, das Risi­ko für Auf­trag­ge­ber und Bie­ter zu mini­mie­ren.

Fazit

Die Ent­schei­dung des OLG Düs­sel­dorf unter­streicht, dass Schutz­rechts­ver­let­zun­gen gra­vie­ren­de Fol­gen im Ver­ga­be­ver­fah­ren haben kön­nen. Bie­ter sind gut bera­ten, ihre Ange­bo­te auf mög­li­che Kon­flik­te mit bestehen­den Schutz­rech­ten zu prü­fen. Öffent­li­che Auf­trag­ge­ber wie­der­um soll­ten dar­auf ach­ten, Risi­ken durch kla­re Anfor­de­run­gen und gut­ach­ter­li­che Prü­fun­gen zu mini­mie­ren.

Für wei­te­re Ana­ly­sen und pra­xis­na­he Tipps besu­chen Sie unse­ren You­Tube-Kanal „aban­te Rechts­an­wäl­te“.

* Hin­weis: Die­ser Rechts­tipp ersetzt kei­nen anwalt­li­chen Rat im Ein­zel­fall. Er ist natur­ge­mäß unvoll­stän­dig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezo­gen und stellt zudem eine Moment­auf­nah­me dar, da sich gesetz­li­che Grund­la­gen und Recht­spre­chung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denk­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen abde­cken, dient Unter­hal­tungs- und Erst­ori­en­tie­rungs­zwe­cken und soll Sie zur früh­zei­ti­gen Abklä­rung von Rechts­fra­gen moti­vie­ren, nicht aber davon abhal­ten. aban­te Rechts­an­wäl­te war nicht am Ver­fah­ren betei­ligt und hat kei­ne Par­tei im Streit­ver­fah­ren ver­tre­ten.

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