Bei Baumängeln haben Auftraggeber das Recht, eine Selbstvornahme durchzuführen, wenn der Unternehmer sich weigert, Mängel zu beseitigen. Dazu gehört auch ein Vorschussanspruch für die Kosten der Mängelbeseitigung. Doch was passiert, wenn der Vorschuss nicht vollständig für die Mängelbeseitigung verwendet wird?
Unser Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Stefan Didt hat sich am 31.01.2025 in einem abante live zum Baurecht mit dem Urteil des OLG Schleswig vom 16.10.2024 (Az.: 12 U 6/24) befasst.
Hier gelangen Sie zum Video der Besprechung der Entscheidung: YouTube-Kanal abante Rechtsanwälte
Der Fall: Mangelhafte Bodenverlegung und der Vorschussanspruch
In dem verhandelten Fall hatte eine Bauunternehmerin den Boden in einem Schuhladen verlegt. Doch die Arbeiten wiesen erhebliche Mängel auf. Die Auftraggeberin machte daraufhin ihren Vorschussanspruch gerichtlich geltend und erhielt eine Zahlung zur Behebung der Mängel.
Nach einiger Zeit stellte sich die Frage, ob der Vorschuss auch tatsächlich vollständig für die Mängelbeseitigung genutzt wurde. Dies führte zu einer Stufenklage mit zwei wesentlichen Forderungen:
- Auskunftsanspruch: Der Auftraggeber sollte offenlegen, wie der Vorschuss genau verwendet wurde.
- Rückforderungsanspruch: Falls sich herausstellt, dass nicht der gesamte Vorschuss für die Mängelbeseitigung eingesetzt wurde, sollte der verbleibende Betrag zurückgezahlt werden.
Die Entscheidung des OLG Schleswig: Transparenz und Rechenschaftspflicht
Das OLG Schleswig stellt klar, dass der Vorschuss zweckgebunden ist und ausschließlich für die Mängelbeseitigung genutzt werden darf. Wer eine Vorschusszahlung erhält, muss detailliert nachweisen, welche Arbeiten durchgeführt wurden und in welchem Umfang das Geld dafür verwendet wurde.
Wichtige Punkte aus dem Urteil:
- Pflicht zur Abrechnung entsprechend § 666 BGB: Der Auftraggeber muss eine geordnete Aufstellung der tatsächlichen Kosten vorlegen, ähnlich wie bei einer Rechenschaftspflicht im Auftragsrecht.
- Keine pauschale Abrechnung: Rechnungen mit allgemeinen Positionen wie „Boden demontiert“ oder „Dielen verlegt“ reichen nicht aus. Es muss beispielsweise klar ersichtlich sein, welche Materialien und Arbeitsleistungen genau bezahlt wurden.
- Vermeidung von Bereicherung: Wird ein Vorschuss nicht oder nur teilweise für die Mängelbeseitigung genutzt, besteht eine Pflicht zur Rückzahlung. Der Vorschuss ist kein finanzieller Vorteil für den Auftraggeber, sondern dient ausschließlich der Mängelbeseitigung.
Das Gericht entschied zugunsten der Unternehmerin: Der Auftraggeber musste eine detaillierte Abrechnung vorlegen und den nicht genutzten Teil des Vorschusses zurückzahlen.
Fazit – Lehren aus dem Urteil: Sorgfältige Abrechnung ist essenziell
Das Urteil unterstreicht, dass ein Vorschuss für Mängelbeseitigung nicht einfach als „frei verfügbares“ Geld betrachtet werden kann. Auftraggeber müssen präzise Buch führen und ihre Ausgaben nachvollziehbar dokumentieren. Andernfalls drohen Rückzahlungsforderungen und mögliche rechtliche Auseinandersetzungen.
Tipps für die Praxis:
✔ Vorschuss ausschließlich für Mängelbeseitigung nutzen;
✔ Jede Ausgabe mit Belegen und Rechnungen dokumentieren;
✔ Transparente Abrechnung nach § 666 BGB sicherstellen;
✔ Bei Unsicherheiten rechtzeitig anwaltlichen Rat einholen.
Dieses Urteil zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, nicht nur handwerklich sauber zu arbeiten, sondern auch korrekt abzurechnen. Wer sich rechtlich absichern möchte, sollte auf eine detaillierte Dokumentation achten und im Zweifelsfall frühzeitig rechtlichen Rat einholen. Dieses Urteil dient als klare Erinnerung: Sorgfältige Abrechnung schützt vor unangenehmen Rückforderungen und rechtlichen Streitigkeiten.
Weitere Einblicke und detaillierte Erläuterungen zu diversen Entscheidungen finden Sie in unseren Videos auf dem YouTube-Kanal abante Rechtsanwälte. Schauen Sie sehr gern vorbei!