Wir schauen uns pars pro toto eine Entscheidung des OLG Brandenburg aus dem Jahr 2008 an (OLG Brandenburg, Urteil vom 31.07.2008 – 5 U 176/06). Es ging gegen einen ehemaligen Amtsdirektor. In Brandenburg leitet er die Verwaltung nach innen und vertritt sie nach außen. Dem Amt gehören oftmals mehrere Gemeinden an. Denen ist er verpflichtet. Kurzum: kein leichter Job.
Der Sachverhalt
Einer der amtsangehörigen Gemeinden waren Fördermittel zum Ausbau eines Radweges gewährt worden. Diese wurden später widerrufen und zurückgefordert. Die betroffene Gemeinde war der Meinung, dies habe der ehemalige Amtsdirektor vergeigt.
Die ehemals amtsangehörige Gemeinde klagte also auf Schadensersatz. Sie stützte ihre Klage auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 Abs. 1 StGB. Sie behauptete also eine strafbare Untreue. Der ehemalige Amtsdirektor sollte hiernach gegen eine Vermögensbetreuungspflicht verstoßen haben. Dem konnte das Oberlandesgericht nicht folgen. Denn der für die Annahme von Untreue erforderliche Vorsatz war dem ehemaligen Amtsdirektor nicht nachzuweisen.
Hilfsweise war die Klage auf § 44 Abs. 1 Landesbeamtengesetz gestützt worden. Nach dieser Vorschrift konnte der „Dienstherr“ von einem Beamten den Ersatz desjenigen Schadens verlangen, der dadurch entstanden ist, dass der Beamte vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat. Heute würde eine solche Klage auf § 48 Beamtenstatusgesetz gestützt werden müssen. Und sie würde vor den Verwaltungsgerichten erhoben werden (dazu sogleich mehr).
Der zentrale Vorwurf war, dass der ehemalige Amtsdirektor von derjenigen Planung abgewichen war, die Bestandteil des Förderantrags und späteren Zuwendungsbescheid gewesen war. Und zwar ohne den Zuwendungsgeber vorher darüber zu informieren. Dazu wäre der ehemalige Amtsdirektor jedoch verpflichtet gewesen. Denn nach den allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderungen an Gemeinden muss der Zuwendungsempfänger der Bewilligungsbehörde unverzüglich anzeigen, wenn der Verwendungszweck oder „sonstige für die Bewilligung der Zuwendung maßgebliche Umstände sich ändern“.
Rechtliche Würdigung
Der Rechtsstreit drehte sich also um die Frage, welche ursprüngliche Planung denn überhaupt Bestandteil des Zuwendungsbescheid geworden war, und ob von dieser Planung später in erheblicher Weise abgewichen worden ist, ohne den Zuwendungsgeber vorher darüber zu informieren. Das Oberlandesgericht hielt hierzu fest, dass dem Förderantrag ein Kostenvoranschlag beigefügt gewesen war, der sich auf zwei Bauabschnitte in jeweils gleicher Höhe verteilte. Dies, so das Oberlandesgericht, sei aber nur dann möglich, wenn „entsprechende Planungen mit Kostenansätzen“ vorliegen würden. Ferner existiere eine Vorhabenbeschreibung aus dem Jahr, in dem der Förderantrag gestellt worden sei. Diese Vorhabenbeschreibung sei noch vor Erlass des Förderbescheids im Zuwendungsantragsverfahren nachgereicht worden. Aus dieser Vorhabenbeschreibung hätten sich Verlauf und Breite des Radwegs ergeben. Davon sei der ehemalige Amtsdirektor bei der Beauftragung der Bauleistung eigenmächtig abgewichen. So sei die Länge des ersten Bauabschnitts deutlich reduziert worden, und zwar nicht bloß ohne Kenntnis des Zuwendungsgebers, sondern auch ohne zuvor die Entscheidung der Gemeindevertretung eingeholt zu haben. Dazu passe es letztlich auch, dass der ehemalige Amtsdirektor den Auftrag allein erteilt habe, anstatt die verpflichtende Unterschrift der damaligen Bürgermeisterin der Gemeinde noch einzuholen.
Der ehemalige Amtsdirektor verteidigte sich. Zumindest ein grobes Verschulden habe nicht vorgelegen. Der Amtsdirektor sei aufgrund von Mitteilungen aus der Verwaltung davon ausgegangen, für die konkrete Ausgestaltung des Radweges hätten keine zuwendungsrechtlichen Vorgaben vorgelegen. Vor allem aufgrund fehlender finanzieller Mittel sei später die Baulänge des ersten Bauabschnitts verkürzt worden.
Das überzeugte das Oberlandesgericht nicht. Gegenüber der Gemeinde sei der ehemalige Amtsdirektor weisungsunterworfen. Er hätte also ihre Sicht der Dinge zwingend vorher einholen müssen. Auch die Pflichten aus dem Zuwendungsbescheid hätten ihm klar sein müssen.
Also verurteilte das Oberlandesgericht den ehemaligen Amtsdirektor.
Fazit
Prozessual interessant ist, dass parallel zum Haftungsrechtsstreit vor dem Oberlandesgericht noch ein Verwaltungsstreitverfahren über die Rückforderung der Fördermittel geführt wurde. Es war daher zum Entscheidungszeitpunkt überhaupt nicht klar, ob die Gemeinde die Fördermittel zurückzahlen muss oder nicht. Richtigerweise wählte die Gemeinde daher die Feststellungsklage, um sich – verjährungshemmend – die Inanspruchnahme des ehemaligen Amtsdirektors offenzuhalten.
Eingangs habe ich es schon angedeutet: Das eigentlich zuständige Gericht wäre das Verwaltungsgericht gewesen. Dies führte jedenfalls der Bundesgerichtshof aus, den der ehemalige Amtsdirektor auch noch angerufen hatte (BGH, Beschluss vom 09.04.2009 – III ZR 200/08). Der ehemalige Amtsdirektor war jedoch mit seiner Rüge der Unzuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit in der ersten Instanz zu spät gekommen.
Inhaltlich ist zweierlei zu bemerken. Zum einen hätte sich ein Verwaltungsgericht wahrscheinlich etwas detaillierter mit der Frage befasst, was denn nun genau zum Inhalt des Zuwendungsbescheids geworden ist. Das Oberlandesgericht geht hier aus meiner Sicht etwas zu rasch darüber hinweg, ob und gegebenenfalls welche Planung zum Bestandteil des Zuwendungsbescheids geworden ist. Meinungsäußerungen, einseitige Mitteilungen der Gemeinde etc. reichen insoweit nicht aus. Das muss der Zuwendungsgeber schon im Bescheid referenzieren.
Zum anderen hätte die Beachtung des Vergaberechts den ehemaligen Amtsdirektor geschützt. Eine grundlegende Änderung der Vergabeunterlagen nach der Submission – ist vergaberechtswidrig. Selbst bei einer freihändigen Vergabe hätte hier das Verfahren zurückversetzt werden müssen. Zum Vertragsschluss wäre es also zumindest auf diese Weise nie gekommen, wenn der ehemalige Amtsdirektor vergaberechtskonform vorgegangen wären. Es kann dahinstehen, welche Vergabebestimmungen damals (der Fall spielt im Jahr 2002) gegolten haben.
Für heutige und künftige Entscheidungsträger ist allein die Erkenntnis wichtig, dass das Vergaberecht auch ein guter Freund sein kann.
Hinweis: Dieser Rechtstipp ersetzt keinen anwaltlichen Rat im Einzelfall. Er ist naturgemäß unvollständig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezogen und stellt zudem eine Momentaufnahme dar, da sich gesetzliche Grundlagen und Rechtsprechung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denkbaren Konstellationen abdecken, dient Unterhaltungs- und Erstorientierungszwecken und soll Sie zur frühzeitigen Abklärung von Rechtsfragen motivieren, nicht aber davon abhalten.