In unserem Format „Aktuelles Vergaberecht in 15 Minuten: Gesamt- vs. Losvergabe“ geht Dr. Christoph Kins auf die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes zur Vergabe von Verkehrssicherungsleistungen als Bestandteil einer Gesamtvergabe ein. Im Beitrag erfahren Sie, mit welchen Argumenten die Gesamtvergabe begründet wurde und was sich hinter dem Begriff des Verfügbarkeitskostenmodells verbirgt.
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Gesamtvergabe im Straßenbau: Entscheidung der Vergabekammer des Bundes (VK 2–17/24)
Die Vergabekammer des Bundes hat im Nachprüfungsverfahren (Az. VK 2–17/24) entschieden, dass eine Gesamtvergabe, die auch Verkehrssicherungsleistungen umfasst, zulässig ist, wenn wirtschaftliche und technische Gründe dies rechtfertigen. Für die VK kam es entscheidend darauf an, dass der Auftraggeber die Vor- und Nachteile seiner Entscheidung nachvollziehbar gegeneinander abgewogen und diesen Prozess hinreichend dokumentiert hat.
Hintergrund und Sachverhalt
Die Antragsgegnerin schrieb einen Bauauftrag zur grundhaften Erneuerung einer Asphaltfahrbahn aus, einschließlich Fahrbahnrückhaltesysteme und Verkehrssicherung. Der Auftrag wurde als Gesamtvergabe ausgeschrieben, um die Bauzeit zu verkürzen und Synergieeffekte zu nutzen.
Der Auftraggeber argumentierte, dass eine Gesamtvergabe, die mehrere Leistungen bündelt, nicht nur wirtschaftlicher sei, sondern auch mit verringerten Sicherheitsrisiken und der Vermeidung von Kompatibilitätsproblem einhergehe. Diese Gründe wurden in einem Vermerk zur Vergabeentscheidung detailliert dokumentiert. Zusätzlich spielte das Verfügbarkeitskostenmodell eine Rolle bei der Bewertung der Angebote.
Verfügbarkeitskostenmodell
Das Verfügbarkeitskostenmodell erlaubt es dem Auftragnehmer, die Straße innerhalb eines festgelegten Zeitraums für Bauarbeiten zu nutzen. Der Auftragnehmer legt den genauen Ausführungszeitraum in seinem Angebot fest, der dann als verbindliche Vertragsfrist mit dem Zuschlag vereinbart wird. Zusätzlich zu einem Bonus für eine schnellere Fertigstellung hat die festgelegte Dauer der Bauarbeiten eine direkte Auswirkung auf den Angebotspreis. Kürzere Ausführungszeiten führen zu einem niedrigeren Wertungspreis, wodurch das Angebot im Wettbewerb vorteilhafter wird. Auf diese Weise wird die Bauzeit selbst in den Wettbewerb gestellt, was starke Anreize für eine rasche Fertigstellung schafft. Dieses Modell monetarisiert eine Ausführungsbedingung, indem es die Bauzeit als Kostenfaktor in die Bewertung der Angebote einbezieht, was eine innovative und wirtschaftliche Betrachtung der Projektumsetzung darstellt.
Nachprüfungsverfahren und Entscheidung der Vergabekammer
Ein Anbieter von Verkehrssicherungsleistungen, der sich durch die Gesamtvergabe benachteiligt fühlte, stellte einen Nachprüfungsantrag. Er argumentierte, dass die unterbliebene Losaufteilung gegen den Grundsatz der Losbildung verstößt. Die Vergabekammer prüfte diesen Einwand ausführlich.
Zunächst stellte die Vergabekammer fest, dass Verkehrssicherung ein eigenständiges Fachlos darstellt, und erinnerte an den Grundsatz der Losaufteilung. Der Auftraggeber muss Fachlose bilden, wenn es eigenständige Märkte für diese Leistungen gibt. Im zweiten Schritt prüfte die Kammer, ob wirtschaftliche oder technische Gründe eine Gesamtvergabe erfordern.
Die Vergabekammer erkannte die vom Auftraggeber vorgebrachten Gründe als legitim an: Unfallgefahren im Baustellenbereich, volkswirtschaftliche Nachteile durch Staus, ökologische Nachteile durch Emissionen sowie eine angebliche durchgehende Sperrung einer Anschlussstelle wurden konkret und auf das spezifische Bauvorhaben bezogen dargelegt.
Im dritten Schritt prüfte die Vergabekammer die Verhältnismäßigkeit der Gesamtvergabe. Sie stellte fest, dass die Gesamtvergabe geeignet ist, eine schnellere Abwicklung des Bauvorhabens zu gewährleisten. Dazu zog sie unter anderem auch das Verfügbarkeitskostenmodell heran und argumentiert, dass bei einer Gesamtvergabe die Flexibilität des Generalunternehmens größer wäre. Als letztes wurde noch die Erforderlichkeit des Verzichts auf die Fachlosvergabe der Gesamtvergabe geprüft, wo eine Art Interessensabwägung durchgeführt worden ist. Hierbei führte Vergabekammer aus, dass der Auftrag nicht vollständig an der Antragstellerin vorbeigeht, da die sich als Nachunternehmerin beteiligen könnte.
Fazit
Die Argumentation der Vergabekammer ist nachvollziehbar, auch wenn die Verhältnismäßigkeitsprüfung als überzogen angesehen werden kann. Rechtlich interessant an der Entscheidung ist die Anwendung des Verfügbarkeitskostenmodells als Zuschlagskriterium. Dieses Modell kombiniert ein Kostenelement mit der Bauzeit, indem es die Bauzeit in Kosten umrechnet. Dadurch wird die Bauzeit selbst zu einem Wettbewerbsfaktor, was letztendlich ein Argument für die Gesamtvergabe darstellt.
Wichtiges für Auftraggeber und Bieter
Für Auftraggeber: Für Auftraggeber gilt der Grundsatz der Losaufteilung. Von diesem Grundsatz dürfen sie nur abweichen, wenn dies durch die Besonderheiten des Auftrags gerechtfertigt ist und der Auftraggeber seine dahingehenden Erwägungen nachvollziehbar dokumentiert. Die Entscheidung zeigt, dass die Argumentation des Auftraggebers besonders gestärkt wird, wenn vorgebrachte Gründe durch konkrete fallbezogene Beispiele und eine detaillierte Dokumentation der wirtschaftlichen und technischen Vorteile untermauert werden. Das Verfügbarkeitskostenmodell kann als zusätzliches Argument dienen, um eine Gesamtvergabe zu rechtfertigen.
Für Bieter: Eine detaillierte und sachlich fundierte Argumentation ist entscheidend, um eine Gesamtvergabe erfolgreich anzufechten. Dennoch sollten Bieter sich bewusst sein, dass Gerichte und Spruchkammern möglicherweise eine weniger strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung anlegen und sich nicht immer intensiv mit allen fachlichen und sachlichen Details auseinandersetzen.
Für Beide: die Entscheidung ist noch nicht bestandskräftig. Es wurde sofortige Beschwerde eingelegt. Wir müssen also abwarten, wie das OLG Düsseldorf den Fall beurteilt.
Weiterführende Links
Zur Entscheidung der Vergabekammer Bund, AZ VK2-17/24: Fachlosvergabe; Zulässigkeit der Gesamtvergabe
Videomitschnitt auf unserem abante YouTube-Kanal: Aktuelles Vergaberecht in 15 Minuten, VK 2–17/24