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Aktu­el­les Ver­ga­be­recht in 15 Minu­ten: Bewer­tung eines Test­essens

Im Ver­ga­be­ver­fah­ren der öffent­li­chen Hand gibt es vie­le Beson­der­hei­ten und Her­aus­for­de­run­gen, die sowohl Auf­trag­ge­ber als auch Bie­ter beach­ten müs­sen. Eine aktu­el­le Ent­schei­dung der Ver­ga­be­kam­mer Sach­sen vom 3. Mai 2024 (Az.: 1/SVK/041–23) unter­streicht die Wich­tig­keit von kor­rekt durch­ge­führ­ten Test­stel­lun­gen (im kon­kre­ten Fall ein Pro­be­es­sen) bei der Ver­ga­be von Dienst­leis­tungs­kon­zes­sio­nen. In die­sem Bei­trag fas­sen wir für Sie die wesent­li­chen Punk­te zusam­men, die in der Pra­xis von Bedeu­tung sind. 

Hier gelan­gen Sie zum Video der Bespre­chung der Ent­schei­dung:

Hin­ter­grund und Sach­ver­halt 

Die Antrags­geg­ne­rin, eine gro­ße Kom­mu­ne, schrieb einen Rah­men­ver­trag zur Schü­ler­ver­sor­gung von 77 Schu­len aus, der in vier Gebiets­lo­se auf­ge­teilt war. Nach Abschluss des Rah­men­ver­trags soll­ten für jede Schu­le Ver­sor­gungs­ver­trä­ge über einen Mini­wett­be­werb ver­ge­ben wer­den, an dem nur Unter­neh­men teil­neh­men konn­ten, die im soge­nann­ten „Anbie­ter­pool“ gelis­tet waren. Nach einem vor­an­ge­gan­ge­nen Streit wur­den die Antrags­stel­le­rin und die Bei­gela­de­ne zu einem erneu­ten Test­essen ein­ge­la­den. 

Im Rah­men des Mini­wett­be­werbs soll­ten die Bie­ter zwei Gerich­te, davon eines vege­ta­risch, sowie ein Des­sert prä­sen­tie­ren. Die Jury bewer­te­te die­se Gerich­te, wobei die­se Bewer­tung mit 60 % in die Gesamt­be­wer­tung ein­ging, wäh­rend der Preis mit 40 % gewich­tet wur­de. Der Auf­trag­neh­mer, der beim Pro­be­es­sen über­zeu­gen konn­te, soll­te einen Ver­trag für zwei Jah­re mit der betref­fen­den Schu­le erhal­ten und die Ver­pfle­gung auf eige­ne Rech­nung und eige­nes Risi­ko über­neh­men – eine klas­si­sche Dienst­leis­tungs­kon­zes­si­on. 

Der Antrags­stel­le­rin wur­de nach der Teil­nah­me am ers­ten Test­essen mit­ge­teilt, dass sie für den Zuschlag vor­ge­se­hen sei. Infol­ge einer Rüge der Bei­gela­de­nen muss­te das Test­essen wie­der­holt wer­den; nach die­sem zwei­ten Test­essen wur­de der Antrags­stel­le­rin mit­ge­teilt, dass ihr Ange­bot nicht berück­sich­tigt wer­den kön­ne. 

Die­ses Vor­ge­hen rüg­te wie­der­um die Antrags­stel­le­rin als ver­ga­be­rechts­wid­rig. Die Wer­tungs­punk­te der Jury sei­en feh­ler­haft erfolgt und die ver­ba­le Begrün­dung fin­de sich nicht in den ver­ge­be­nen Punk­ten wie­der. In knapp der Hälf­te der 40 Unter­kri­te­ri­en sei sie zu schlecht bewer­tet wor­den. Die Antrag­stel­le­rin stell­te einen Nach­prü­fungs­an­trag. 

Die Ent­schei­dung: Streit­punk­te rund um das Pro­be­es­sen 

Sie erhob meh­re­re Ein­wän­de gegen das zwei­te Pro­be­es­sen, ins­be­son­de­re gegen die Durch­füh­rung und Bewer­tung. Einer der Haupt­an­griffs­punk­te war das vege­ta­ri­sche Gericht, das vom Best­bie­ter, dem Bie­ter auf Rang 1, vor­ge­stellt wur­de. Die Antrag­stel­le­rin behaup­te­te, dass das Gericht des Bei­gela­de­nen „Eier in Senf­so­ße mit Rot­kraut“ Speck ent­hal­ten habe, was gegen die Vor­ga­be ver­sto­ßen wür­de, ein vege­ta­ri­sches Gericht zu prä­sen­tie­ren. Die­sen Ein­wand stütz­te sie auf die Noti­zen eini­ger Jury­mit­glie­der, die einen speck­ar­ti­gen Geschmack beschrie­ben hat­ten. Die Ver­ga­be­kam­mer stell­te jedoch fest, dass nur vier von zehn Jury­mit­glie­dern die­sen Geschmack wahr­ge­nom­men hat­ten und dass auf den Fotos des Gerichts kein Speck erkenn­bar war. Damit wur­de die­ser Ein­wand abge­lehnt. 

Wich­ti­ge Erkennt­nis­se für Auf­trag­ge­ber: Der Beur­tei­lungs­spiel­raum 

Das zen­tra­le The­ma in die­sem Ver­fah­ren war der soge­nann­te Beur­tei­lungs­spiel­raum. Die­ser gibt dem Auf­trag­ge­ber (oder Kon­zes­si­ons­ge­ber) bei der Bewer­tung einer situa­ti­ven Test­stel­lung einen gewis­sen Frei­raum. Die Nach­prü­fungs­in­stan­zen prü­fen dabei nicht die Bewer­tung selbst im Detail, son­dern ledig­lich, ob die vor­ge­schrie­be­nen Ver­fah­ren ein­ge­hal­ten wur­den. Dazu gehö­ren: 

  1. Ein­hal­tung der Bewer­tungs­vor­ga­ben: Der Auf­trag­ge­ber muss sei­ne selbst fest­ge­leg­ten Kri­te­ri­en und Bewer­tungs­maß­stä­be ein­hal­ten. 
  1. Voll­stän­di­ge und zutref­fen­de Sach­ver­halts­er­mitt­lung: Alle rele­van­ten Umstän­de müs­sen kor­rekt erfasst und bewer­tet wer­den. 
  1. Kei­ne Sach­wid­ri­ge Erwä­gun­gen: Es dür­fen kei­ne unzu­läs­si­gen, sach­frem­den Über­le­gun­gen ange­stellt wer­den. 
  1. Beach­tung all­ge­mei­ner Bewer­tungs­grund­sät­ze: Die Bewer­tung muss fair und trans­pa­rent erfol­gen. 

Beson­ders wich­tig ist in die­sem Zusam­men­hang eine sau­be­re Doku­men­ta­ti­on, damit die Nach­prü­fungs­in­stanz die kor­rek­te Aus­übung des Bewer­tungs­spiel­rau­mes nach­voll­zie­hen kann. Die Ver­ga­be­kam­mer stell­te im vor­lie­gen­den Fall fest, dass die Doku­men­ta­ti­on des Pro­be­es­sens aus­rei­chend und schlüs­sig war und lehn­te daher einen Ver­ga­be­ver­stoß ab. 

Im kon­kre­ten Fall konn­te anhand der Bewer­tungs­bö­gen näm­lich nicht zwei­fels­frei fest­stel­len las­sen, ob das Rot­kraut tat­säch­lich Speck ent­hielt oder ob es ledig­lich ange­brannt war. Dies ist aber auch nicht die Fra­ge, der die Ver­ga­be­kam­mer nach­geht. Sie über­prüft ledig­lich, ob der Auf­trag­ge­ber sei­nen Beur­tei­lungs­spiel­raum rechts­feh­ler­frei aus­ge­übt hat; dies war im vor­lie­gen­den Fall gege­ben. Das Nach­prü­fungs­ver­fah­ren blieb damit im Ergeb­nis für die Antrag­stel­le­rin erfolg­los. 

Wich­ti­ge Erkennt­nis­se für Bie­ter: Die Bewer­tung ist nicht immer angreif­bar 

Neben den Fra­gen nach der kor­rek­ten Aus­übung des Beur­tei­lungs­spiel­raums ging es in die­ser Ent­schei­dung auch um die Bewer­tung an sich. Die Antrags­stel­le­rin hat­te neben dem Vor­wurf des „Speck im vege­ta­ri­schen Gericht“ auch ande­re Bewer­tungs­aspek­te ange­grif­fen, etwa die Por­ti­ons­grö­ße und das Aus­se­hen des Des­serts. Die Ver­ga­be­kam­mer folg­te dem Ein­wand, dass das Aus­se­hen des Des­serts von eini­gen Jury­mit­glie­dern als „unrea­lis­tisch“ bewer­tet wor­den sei. stell­te jedoch fest, dass die­ser Feh­ler nicht aus­reich­te, um die Rei­hen­fol­ge der Wer­tung zu ändern. Selbst wenn die hypo­the­ti­sche Maxi­mal­punkt­zahl ver­ge­ben wor­den wäre, hät­te der Bie­ter sei­ne Posi­ti­on im Wett­be­werb nicht ver­bes­sern kön­nen. Beach­ten Sie also, dass bei weni­ger gra­vie­ren­den Feh­lern in der Bewer­tung nicht auto­ma­tisch die Rang­fol­ge der Bie­ter ver­än­dert wird. Sie sehen: auch bei berech­tig­ten Ein­wän­den ist die Bewer­tung nicht immer angreif­bar, soweit der Auf­trag­ge­ber sei­nen Beur­tei­lungs­spiel­raum kor­rekt aus­ge­nutzt hat. 

Pra­xis-Tipps: Was kön­nen Auf­trag­ge­ber und Bie­ter aus die­ser Ent­schei­dung ler­nen? 

Für Auf­trag­ge­ber: 

  1. Gro­ße Jury, gro­ße Risi­ken: Eine gro­ße Jury, wie in die­sem Fall mit zehn Mit­glie­dern, kann schwer zu mana­gen sein und erhöht das Risi­ko von Bewer­tungs­feh­lern. Eine sorg­fäl­ti­ge Aus­wahl und Schu­lung der Jury ist daher uner­läss­lich. 
  1. Struk­tu­rier­te Wer­tung: Vie­le Unter­kri­te­ri­en und eine detail­lier­te Struk­tu­rie­rung der Bewer­tungs­pro­zes­se kön­nen hel­fen, Feh­ler zu ver­mei­den. Weni­ger kann manch­mal mehr sein, ins­be­son­de­re bei der For­mu­lie­rung von Erläu­te­run­gen zu den ein­zel­nen Wer­tungs­kri­te­ri­en.  

Für Bie­ter: 

  1. Recht­zei­tig rügen: Wenn Bie­ter Unre­gel­mä­ßig­kei­ten oder Feh­ler im Ver­ga­be­ver­fah­ren ver­mu­ten, soll­ten sie die­se sofort rügen. Ein zu lan­ges War­ten kann zur Prä­k­lu­si­on füh­ren. 
  1. Doku­men­ta­ti­on genau prü­fen: Bie­ter soll­ten die Bewer­tungs­do­ku­men­ta­ti­on genau prü­fen, aber auch rea­lis­tisch ein­schät­zen, ob mög­li­che Feh­ler tat­säch­lich ihre Chan­cen beein­träch­ti­gen kön­nen. 

Die Ent­schei­dung der VK Sach­sen ver­deut­licht ein­mal mehr, wie wich­tig die struk­tu­rier­te, trans­pa­ren­te und gut doku­men­tier­te Durch­füh­rung von Test­stel­lun­gen in Ver­ga­be­ver­fah­ren ist.  

Wei­ter­füh­ren­de Links

Zur Ent­schei­dung der Ver­ga­be­kam­mer Sach­sen, VK 1/SVK/041–23: IBRRS 2024, 2209; VPRRS 2024, 0139

Video­mit­schnitt auf unse­rem aban­te You­Tube-Kanal: Aktu­el­les Ver­ga­be­recht in 15 Minu­ten, VK 1/SVK/041–23

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