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Aktuelles Baurecht in 15 Minuten: Nachprüfungsverfahren ist kein Bauprozess!

Aktu­el­les Bau­recht in 15 Minu­ten: Nach­prü­fungs­ver­fah­ren ist kein Bau­pro­zess!

Unser Fach­an­walt für Bau- und Archi­tek­ten­recht Ste­fan Didt hat sich am 07.03.2025 in einem aban­te Live zum Bau- und Ver­ga­be­recht mit dem Beschluss der Ver­ga­be­kam­mer Rhein­land (29.04.2024, Az. VK 40/23) befasst.

In der aktu­el­len Ent­schei­dung wur­de die Bedeu­tung der ord­nungs­ge­mä­ßen Ver­trags­aus­füh­rung für etwa­ige Teil­nah­men an zukünf­ti­gen Aus­schrei­bun­gen der öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber erneut unter­stri­chen. Beson­ders bri­sant: Das Nach­prü­fungs­ver­fah­ren war zwar ver­ga­be­recht­li­cher Natur, doch bau­recht­li­che Aspek­te spiel­ten eine zen­tra­le Rol­le. Der Fall zeigt ein­drucks­voll, wie sich frü­he­re Leis­tungs­pro­ble­me lang­fris­tig auf die Ver­ga­be­fä­hig­keit eines Unter­neh­mens aus­wir­ken kön­nen.

Hier gelan­gen Sie zum Video der Bespre­chung der Ent­schei­dung: aban­te Live | 07.03.2025

Der Fall: Aus­schluss eines Bie­ters wegen frü­he­rer Män­gel

Ein Bau­un­ter­neh­men betei­lig­te sich an einer Aus­schrei­bung für Instand­set­zungs­ar­bei­ten. Noch bevor der Zuschlag erteilt wur­de, erhielt die Bie­te­rin ein Vor­in­for­ma­ti­ons­schrei­ben: Ihr Ange­bot wer­de nicht berück­sich­tigt, da ihre Leis­tun­gen bei frü­he­ren öffent­li­chen Auf­trä­gen erheb­li­che Män­gel auf­ge­wie­sen haben. Dies habe zu vor­zei­ti­gen Ver­trags­be­en­di­gun­gen und Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen geführt. Die Rechts­grund­la­ge für die­sen Aus­schluss fin­det sich in § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB bzw. § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A. Die­ser erlaubt es öffent­li­chen Auf­trag­ge­bern, Unter­neh­men von Aus­schrei­bun­gen aus­zu­schlie­ßen, wenn sie nach­weis­lich in der Ver­gan­gen­heit schlech­te Leis­tun­gen erbracht haben. Die Bie­te­rin leg­te dage­gen eine Rüge ein und argu­men­tier­te, dass nicht ersicht­lich sei, auf wel­che frü­he­ren Ver­trä­ge sich der Aus­schluss stüt­ze. Zudem habe sie stets ord­nungs­ge­mäß gear­bei­tet. Da der Rüge nicht abge­hol­fen wur­de, brach­te sie den Fall vor die Ver­ga­be­kam­mer Rhein­land.

Das Ver­fah­ren: Pro­ble­ma­ti­sche Bau­stel­len, Beweis­last und Ermes­sens­aus­übung

Im Lau­fe des Nach­prü­fungs­ver­fah­rens stell­te sich her­aus, dass der Aus­schluss auf Pro­ble­men bei drei frü­he­ren Bau­pro­jek­ten beruh­te:

  1. Ersatz­neu­bau: Zahl­rei­che Män­gel, die trotz Auf­for­de­rung nicht besei­tigt wur­den.
  2. Revi­ta­li­sie­rung: Kün­di­gung wegen erheb­li­chem Leis­tungs­ver­zug.
  3. Grund­in­stand­set­zung: Kün­di­gung wegen Ein­stel­lung der Arbei­ten ohne Berech­ti­gung.

Hier zeig­te sich bereits, dass sich das Ver­fah­ren nicht rein auf das Ver­ga­be­recht beschränk­te. Viel­mehr wur­den detail­liert bau­recht­li­che Fra­gen dis­ku­tiert – etwa die Berech­ti­gung zur Kün­di­gung und die tat­säch­li­che Exis­tenz von Män­geln.

Die Ver­ga­be­kam­mer muss­te sich die Fra­ge stel­len: Waren die Kün­di­gun­gen und Män­gel­be­rich­te tat­säch­lich gerecht­fer­tigt? Ein zen­tra­les Pro­blem war die Beweis­füh­rung. Anders als in einem Bau­pro­zess ist es nicht die Auf­ga­be die Ver­ga­be­kam­mer Zeu­gen zu laden oder Gut­ach­ten ein­ho­len. Sie ist auf die Akten­la­ge beschränkt. Der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber hat­te eine umfang­rei­che Män­geldo­ku­men­ta­ti­on, wäh­rend die Bie­te­rin nur pau­schal wider­sprach, ohne selbst detail­liert auf die ein­zel­nen Män­gel ein­zu­ge­hen. Die Kam­mer ent­schied daher: Die Män­gel sei­en aus­rei­chend belegt, und der Aus­schluss des Unter­neh­mens war recht­mä­ßig.

Ein wei­te­rer Punkt im Ver­fah­ren war die Fra­ge, ob der Auf­trag­ge­ber sein Ermes­sen kor­rekt aus­ge­übt hat­te. Zunächst war im Vor­in­for­ma­ti­ons­schrei­ben die erfor­der­li­che Abwä­gung aus­ge­blie­ben, ob ein Aus­schluss tat­säch­lich ange­mes­sen sei. Die­se Ermes­sens­aus­übung wur­de erst im Rüge­ver­fah­ren nach­ge­holt – aller­dings nur münd­lich. Die Kam­mer stell­te fest, dass dies nicht aus­reich­te. Den­noch wur­de die­ser Feh­ler im Nach­prü­fungs­ver­fah­ren geheilt, indem die Ent­schei­dung nun umfas­send begrün­det wur­de. Dadurch blieb der Aus­schluss des Unter­neh­mens trotz anfäng­li­cher for­mel­ler Män­gel bestehen.

Fazit: Ver­ga­be­recht und Bau­recht sind enger ver­knüpft als mit­un­ter gedacht

Der Fall zeigt ein­drucks­voll, dass Bau­un­ter­neh­men im Rah­men von öffent­li­chen Auf­trä­gen nicht nur auf die aktu­el­le Ver­ga­be, son­dern auch auf die His­to­rie ihrer Ver­trags­ab­wick­lung ach­ten müs­sen. Frü­he­re Män­gel oder Kün­di­gun­gen kön­nen sich direkt auf zukünf­ti­ge Aus­schrei­bun­gen aus­wir­ken.

Für Auf­trag­neh­mer bedeu­tet das: Sorg­falt in der Ver­trags­aus­füh­rung ist essen­zi­ell. Wer gekün­digt wird oder Män­gel­rü­gen erhält, soll­te dies doku­men­tie­ren und – falls unge­recht­fer­tigt – früh­zei­tig juris­ti­sche Schrit­te ein­lei­ten.

Für Auf­trag­ge­ber ergibt sich ein stra­te­gi­scher Vor­teil: Ein “schlech­ter” Bie­ter kann auch bei zukünf­ti­gen Aus­schrei­bun­gen aus­ge­schlos­sen wer­den, sofern die Grün­de gut doku­men­tiert sind.

Die Ent­schei­dung der Ver­ga­be­kam­mer Rhein­land ist somit ein wich­ti­ges Signal an alle Betei­lig­ten der Bau- und Ver­ga­be­bran­che: Ein Nach­prü­fungs­ver­fah­ren ist zwar kein Bau­pro­zess – aber bau­recht­li­che Fra­gen kön­nen ent­schei­dend sein.

Wei­te­re Ein­bli­cke und detail­lier­te Erläu­te­run­gen zu diver­sen Ent­schei­dun­gen fin­den Sie in unse­ren Vide­os auf dem You­Tube-Kanal aban­te Rechts­an­wäl­te. Schau­en Sie sehr gern vor­bei!

Hin­weis: Die­ser Rechts­tipp ersetzt kei­nen anwalt­li­chen Rat im Ein­zel­fall. Er ist natur­ge­mäß unvoll­stän­dig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezo­gen und stellt zudem eine Moment­auf­nah­me dar, da sich gesetz­li­che Grund­la­gen und Recht­spre­chung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denk­ba­ren Kon­stel­la­tio­nen abde­cken, dient Unter­hal­tungs- und Erst­ori­en­tie­rungs­zwe­cken und soll Sie zur früh­zei­ti­gen Abklä­rung von Rechts­fra­gen moti­vie­ren, nicht aber davon abhal­ten. aban­te Rechts­an­wäl­te war nicht am Ver­fah­ren betei­ligt und hat kei­ne Par­tei im Streit­ver­fah­ren ver­tre­ten.

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