Unser Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Stefan Didt hat sich in unserem letzten abante live mit dem Urteil des BGH vom 19. September 2024 (Az.: AZ VII ZR 10/24) auseinandergesetzt. Hierbei ging es um die Frage, ob die Übergabe angepasster Bauablaufpläne als Bauzeitanordnung zu werten ist. Schauen Sie sich hier das Replay zur aktuellen Entscheidung auf unserem YouTube-Kanal an:
Übergabe angepasster Bauablaufpläne ist keine Bauzeitanordnung, BGH, AZ VII ZR 10/24
Übergabe angepasster Bauablaufpläne ist keine Bauzeitanordnung: BGH-Urteil vom 19. September 2024 (AZ VII ZR 10/24)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 19. September 2024 eine wichtige Entscheidung zu Bauzeitverlängerungen getroffen. Das Gericht klärte, ob die Übermittlung angepasster Bauablaufpläne durch den Auftraggeber als Anordnung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B einzustufen ist, die Mehrvergütungsansprüche begründet. Die Entscheidung verdeutlicht die Abgrenzung zwischen bloßer Reaktion auf Behinderungen und tatsächlichen Anordnungen.
Hintergrund und Sachverhalt
Im Zentrum des Falles stand ein Bauprojekt in Dresden, bei dem eine Auftragnehmerin mit Starkstromarbeiten im Rahmen einer musealen Neukonzeption beauftragt wurde. Schon kurz nach Projektbeginn meldete sie Bauhindernisse, unter anderem wegen fehlender Ausführungspläne und nicht erbrachter Vorleistungen anderer Gewerke. Diese Umstände führten zu Verzögerungen, auf die der Auftraggeber mit der Übermittlung angepasster Bauablaufpläne reagierte.
Die Auftragnehmerin interpretierte diese Übermittlung als Bauzeitanordnung, die die Grundlage für eine Mehrvergütung in Höhe von rund 57.000 Euro bildete. Diese Mehrkosten sollten unter anderem gestiegene Tariflöhne und längere Standzeiten von Baucontainern abdecken.
Entscheidung des BGH: Klare Kriterien für eine Anordnung
Der BGH entschied zugunsten des Auftraggebers: Die bloße Übermittlung angepasster Bauablaufpläne ist keine Anordnung gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B.
Was eine Anordnung ausmacht
Eine Anordnung im Sinne dieser Vorschrift setzt eine einseitige, rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers voraus, die verbindlich eine Änderung der vertraglichen Leistungspflichten bewirkt. Die hier übermittelten Pläne dienten lediglich der Reaktion auf bestehende Verzögerungen und waren Ausdruck der Koordinationspflicht des Auftraggebers gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B. Eine solche Reaktion erfüllt nicht die Anforderungen an eine Anordnung.
Behinderungen versus Anordnungen
Nach der Entscheidung des Gerichts sind behinderungsbedingte Änderungen keine Grundlage für einen Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B. Verzögerungen durch Behinderungen werden stattdessen in § 6 VOB/B geregelt. Der Auftraggeber hatte hier auf die Behinderungen reagiert und im Grunde genommen nur die Ausführungsfristen konkretisiert, die sich infolge der Behinderungen gemäß § 6 Abs. 2 VOB/B ohnehin verlängert haben.
Keine Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung
Neben dem Anspruch auf Mehrvergütung prüfte der BGH auch alternative Anspruchsgrundlagen:
- Schadensersatz (§ 6 Abs. 6 VOB/B): Ein solcher Anspruch hätte eine Pflichtverletzung des Auftraggebers vorausgesetzt. Der BGH stellte jedoch fest, dass es sich hier lediglich um eine Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten handelte, die keinen Schadensersatzanspruch begründet.
- Entschädigung (§ 642 BGB): Für eine Entschädigung hätte die Auftragnehmerin detailliert darlegen müssen, wie der Annahmeverzug des Auftraggebers ihre Kosten erhöht hat. Diese bauablaufbezogene Darstellung fehlte jedoch vollständig, sodass auch diese Anspruchsgrundlage entfiel.
Praxis-Tipps: Was bedeutet das Urteil für Bauherren und Auftragnehmer?
Für Auftraggeber:
- Dokumentation: Auftraggeber sollten sicherstellen, dass alle Planänderungen und behinderungsbedingten Anpassungen sauber dokumentiert werden. Die Koordination der Gewerke bleibt ihre zentrale Aufgabe.
- Präzise Kommunikation: Eine klare Abgrenzung zwischen behinderungsbedingten Anpassungen und Anordnungen hilft, spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Für Auftragnehmer:
- Substanzielle Darlegung: Bei Verzögerungen durch Behinderungen ist eine detaillierte bauablaufbezogene Darstellung unerlässlich. Pauschale Angaben zu Kostensteigerungen reichen nicht aus.
- Beweissicherung: Bauunternehmen sollten Behinderungen und deren Auswirkungen lückenlos dokumentieren, um Schadensersatzansprüche fundiert begründen zu können.
Fazit: Klarheit bei Bauzeitverlängerungen
Das Urteil des BGH zeigt, wie wichtig eine differenzierte Betrachtung bei Bauzeitverlängerungen ist. Die Übermittlung angepasster Bauablaufpläne stellt keine Anordnung dar und begründet daher keine Mehrvergütungsansprüche. Sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer sollten bei der Dokumentation und Kommunikation der Bauabläufe besonders sorgfältig sein, um Streitigkeiten zu vermeiden und ihre Position zu stärken.
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