Unser Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Stefan Didt hat sich in unserem letzten abante live mit der Entscheidung des BGH vom 11. Juli 2024 (Az.: VII ZR 127/23) auseinandergesetzt. Hierbei ging es um die Rückforderung von Werklohnvorauszahlungen. Schauen Sie sich hier das Replay zur aktuellen Entscheidung auf unserem YouTube-Kanal an:
Aktuelles BGH-Urteil zur Rückforderung von Werklohnvorauszahlungen: Entscheidung vom 11. Juli 2024 (Az.: VII ZR 127/23)
In diesem hochaktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 11. Juli 2024 setzte sich das Gericht mit der Frage auseinander, inwiefern die Darlegungs- und Beweislast bei Rückforderungen von Vorauszahlungen bei gekündigten Pauschalpreisverträgen verteilt ist. Das Urteil zeigt, wie kompliziert die Rückforderung von Werklohnvorauszahlungen unter Umständen sein kann. Das ist insbesondere bei Pauschalpreisverträgen der Fall. Bei diesen Verträgen stellt sich dieses Problem im Kündigungsfall regelmäßig, da bei nur teilweiser Erfüllung der vereinbarten Leistungen oft schlicht nicht ersichtlich ist, welcher Teil des vereinbarten Pauschalpreises mit der Gegenleistung als abgegolten zu werten ist. Im Folgenden fassen wir die wesentlichen Punkte dieser Entscheidung für Sie zusammen.
Hintergrund und Sachverhalt zur Entscheidung des BGH, Az.: VII ZR 127/23
/Im Mittelpunkt des Verfahrens stand ein Bauvertrag zwischen der Beklagten und der M‑GmbH als Generalunternehmerin, der die Errichtung eines Lebensmittelmarktes vorsah. Der Vertrag wurde auf Pauschalpreisbasis abgeschlossen, und die Beklagte leistete eine Vorauszahlung von 400.000 € sowie weitere Abschlagszahlungen in Höhe von knapp 800.000 €. Nachdem die Generalunternehmerin in Insolvenz gefallen war, kündigte die Beklagte den Vertrag, ein Dritter wurde mit der Weiterführung der Leistungen beauftragt und forderte die an die M‑GmbH geleisteten Vorauszahlungen zurück.
Im anschließenden Rechtsstreit vor dem Landgericht Koblenz wurde der Klägerin die Rückzahlung der gesamten Summe der Vorauszahlungen zugesprochen. Vor dem Oberlandesgericht Koblenz wurde die Rückforderung ebenfalls anerkannt, im Revisionsverfahren vor dem BGH ging es um die verbleibende Summe in Höhe von etwa 310.000 €, die die Beklagte nun ihrerseits zurückforderte. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück, wobei die Auffassung vertreten wurde, dass das Berufungsgericht die Darlegungslast im Rahmen der Rückforderung dieser Werklohnvorauszahlung verkannt hätte.
Die Entscheidung: Darlegungs- und Beweislast im Werklohnprozess
Zentraler Punkt der Entscheidung ist die Frage, wer im Prozess die Beweislast für die Rückforderung einer Vorauszahlung trägt. Der BGH stellte klar, dass die Auftraggeberin – in diesem Fall die Beklagte – darlegen muss, dass sie Voraus- und Abschlagszahlungen geleistet hat, denen keine ausreichende Gegenleistung gegenübersteht. Hat der Auftraggeber diesen Vortrag erbracht, muss der Auftragnehmer beweisen, dass die gezahlten Beträge durch erbrachte Leistungen gerechtfertigt sind.
Abrechnung des gekündigten Pauschalpreisvertrages
Grundsätzlich hat der Auftragnehmer einen Anspruch darauf, dass – auch nur teilweise erbrachte – Leistungen durch den Auftraggeber zu bezahlen sind. Bei Einheitspreisverträgen stellt dies freilich kein Problem dar. Bei Pauschalpreisvereinbarungen hingegen ist es ungleich schwieriger nachzuvollziehen und zu beweisen, welche Einzelleistungen durch welchen Teil der Entgeltvereinbarungen abgegolten werden sollten. Im Falle einer Kündigung wurden noch nicht alle Leistungen erbracht und es stellt sich die Frage, wie der vereinbarte Gesamtpreis mit den erbrachten Teilleistungen in Beziehung gesetzt werden kann. Eine Abgrenzung der erbrachten von den nicht ausgeführten Leistungen ist zunächst vorzunehmen, um dann das Verhältnis von den erbrachten Leistungen zur geschuldeten Gesamtleistung errechnen zu können.
Im zugrundeliegenden Fall wurde die Abgrenzung von erbrachten und geschuldeten Leistungen durch ein Sachverständigengutachten nachvollziehbar vorgenommen, ein Detailpreisverzeichnis der Klägerin lag hingegen nicht vor und eine Stellungnahme zu der Bepreisung einzelner Arbeitsschritte war daher nicht möglich. Der BGH stellte fest, dass ohne diese Grundlage eine Verlagerung der Darlegungslast durch das Berufungsgericht auf die Beklagte unzulässig sei. Stattdessen hätte die Klägerin vortragen müssen, wie diese Preise kalkuliert wurden, da nur sie die nötigen Kenntnisse haben konnte. Dies sollte nun im Rahmen der Zurückverweisung vom Berufungsgericht nachgeholt werden.
Fazit
Dieses Urteil zeigt, wie komplex die Rückforderung von Werklohnvorauszahlungen bei gekündigten Pauschalpreisverträgen sein kann. Auftraggeber profitieren davon, dass sie bei der Rückforderung keine detaillierte Kenntnis der Kalkulation des Auftragnehmers haben müssen, sondern sich auf die Informationen stützen dürfen, die ihnen zumutbar zugänglich sind. Dies entlastet sie im Prozess und erhöht die Chancen auf eine erfolgreiche Rückforderung.
Auch für Auftragnehmer bleibt dieses Urteil nicht folgenlos: Sie müssen in der Lage sein, die erbrachten Leistungen klar nachzuweisen, wenn sie Vorauszahlungen behalten möchten. Insbesondere bei Pauschalpreisverträgen kann dies zu einer Herausforderung werden. Der Auftragnehmer muss darlegen, dass er Leistungen erbracht hat, die den gezahlten Beträgen entsprechen, andernfalls droht die Rückforderung durch den Auftraggeber.
Das Urteil hat für die baurechtliche Praxis hohe Relevanz und sollte sowohl von Auftraggebern als auch von Auftragnehmern bei zukünftigen Sachverhalten, die mit der Rückforderung von Vorauszahlungen bei Kündigungen von Verträgen mit Pauschalpreisvereinbarungen beachtet werden.
Praxis-Tipps: Was können Auftraggeber und Bieter aus dieser Entscheidung lernen?
Für Auftraggeber:
- Dokumentation der Zahlungen und Leistungen: Es ist unerlässlich, alle Voraus- und Abschlagszahlungen sowie deren zugrundeliegende vertragliche Vereinbarungen detailliert zu dokumentieren. Ebenso sollten alle erbrachten und nicht erbrachten Leistungen eindeutig festgehalten werden. Dies ist entscheidend, um bei einer Kündigung klar darlegen zu können, ob die Vorauszahlungen durch tatsächliche Leistungen gedeckt sind oder nicht.
- Voraussetzungen für die Rückforderung: Wenn ein Pauschalpreisvertrag gekündigt wird, muss der Auftraggeber schlüssig darlegen können, dass er für die geleisteten Vorauszahlungen keine ausreichenden Gegenleistungen erhalten hat. Die Anforderungen an den Vortrag sind jedoch verhältnismäßig gering: Der Auftraggeber muss nur darlegen, was ihm aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Informationen bekannt ist. Eine umfassende Kenntnis der Kalkulation des Auftragnehmers ist nicht erforderlich, sofern ihm keine entsprechenden Unterlagen vorliegen.
Für Auftragnehmer:
- Nachweis erbrachter Leistungen: Der Auftragnehmer ist in der Beweispflicht, wenn es um die Rechtfertigung von Vorauszahlungen geht. Im Fall einer Rückforderung muss er eindeutig darlegen und beweisen können, welche Leistungen er erbracht hat und in welchem Umfang diese bereits geleistete Zahlungen rechtfertigen. Der BGH stellte klar, dass dies insbesondere bei gekündigten Pauschalpreisverträgen eine Herausforderung sein kann, da es keine Einzelpreise für Teilleistungen gibt. Die Kalkulation der erbrachten Leistungen muss daher im Verhältnis zum vereinbarten Gesamtpreis dargelegt werden.
- Pauschalpreisverträge klar dokumentieren: Gerade bei Pauschalpreisverträgen, bei denen nicht jede Teilleistung einzeln bepreist wird, ist es für den Auftragnehmer entscheidend, jederzeit nachvollziehbare Nachweise über die erbrachten Leistungen zu führen. Dies kann durch detaillierte Berichte, Gutachten und klare Abgrenzungen zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen geschehen. Solche Nachweise sind unerlässlich, um in einem Rechtsstreit den Erhalt der Vorauszahlungen zu verteidigen.
Weiterführende Links zur Entscheidung BGH VII ZR 127/23
Zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs: BGH VII ZR 127/23.
Zu unserer Besprechung auf Youtube: Nach Kündigung muss Auftragnehmer Überzahlung widerlegen (youtube.com)
Hinweis: Dieser Rechtstipp ersetzt keinen anwaltlichen Rat im Einzelfall. Er ist naturgemäß unvollständig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezogen und stellt zudem eine Momentaufnahme dar, da sich gesetzliche Grundlagen und Rechtsprechung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denkbaren Konstellationen abdecken, dient Unterhaltungs- und Erstorientierungszwecken und soll Sie zur frühzeitigen Abklärung von Rechtsfragen motivieren, nicht aber davon abhalten. abante Rechtsanwälte war nicht am Verfahren beteiligt und hat keine Partei im Streitverfahren vertreten.
Wie wir Ihnen helfen können
Sind Sie öffentlicher Auftraggeber oder Bieter bzw. Bewerber, so können wir Sie vor der Vergabekammer und dem OLG-Senat vertreten.
Für eine unverbindliche Anfrage kontaktieren Sie bitte direkt telefonisch oder per E‑Mail einen unserer Ansprechpartner oder nutzen Sie das Kontaktformular.
Senden Sie uns Ihr Anliegen
Wie Sie uns erreichen
Hauptstandort Leipzig
Lessingstraße 2
04109 Leipzig
Deutschland
Kontakt
Tel.: +49 341 238203 – 00
Fax: +49 341 238203 – 29
E‑Mail: info@abante.de