Unser Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Stefan Didt hat sich in unserem letzten abante live den Hinweis-Beschluss des OLG Frankfurt, 23 U 86/23, auseinandergesetzt. Schauen Sie sich hier das Replay auf unserem YouTube-Kanal an:
Sie möchten mehr zum Beschluss des OLG Frankfurt wissen, aber nicht das gesamte Video schauen? Dann haben wir hier die wichtigsten Informationen für Sie in Textform.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Unternehmerin im Bereich der Abfallverwertung, ist auf die thermische Behandlung von teerhaltigem Asphalt spezialisiert. Der Beklagte ist die obere Straßenbaubehörde des Landes Hessen. Der Vertrag betraf die Entsorgung von pechhaltigen Straßenausbruch. Die Klägerin erhielt den Auftrag zur Entsorgung von 202 Tonnen Asphalt, wofür ein Einheitspreis vereinbart wurde. Aufgrund zeitlicher Verzögerungen wurde der Ausführungszeitraum verlängert und eine Nachtragsvereinbarung zur Anpassung des Einheitspreises für die noch zu entsorgenden Mengen getroffen.
Streitpunkt
Nach Abschluss des Vertrags und Erstellung der Schlussrechnung stellte die Klägerin fest, dass etwa 26 Tonnen weniger als vereinbart entsorgt wurden, was zu einer Unterdeckung der Gemeinkosten führte. Die Klägerin machte diese Unterdeckung geltend und reichte Klage beim Landgericht Wiesbaden ein. Das Landgericht wies die Klage ab, da ein Anspruch auf Mehrvergütung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht vorliege. Die Klägerin legte daraufhin Berufung beim OLG Frankfurt ein.
Entscheidung des OLG Frankfurt
Das OLG Frankfurt empfahl der Klägerin in einem Hinweisbeschluss, die Berufung zurückzunehmen, da sie in der Sache keinen Erfolg haben werde. Das Gericht stellte fest, dass ein Anspruch auf Mehrvergütung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht besteht, wenn ein vertraglicher Anspruch in Betracht kommt.
Ein zentraler Punkt war, ob ein bestimmtes Formblatt Vertragsbestandteil geworden war. Dieses Formblatt regelte, dass der Einheitspreis bei Mengenabweichungen bis zu 10% unverändert bleibt. Das OLG Frankfurt konnte nicht eindeutig klären, ob dieses Formblatt Vertragsbestandteil geworden war. Unabhängig davon stellte das Gericht fest, dass das Formblatt keine Regelung für nicht entsorgte Mengen enthielt.
Prüfung der Geschäftsgrundlage
Das OLG Frankfurt beleuchtete ausführlich die Voraussetzungen des § 313 BGB für den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Es stellte fest, dass die vertraglich vereinbarte Ausführungsmenge keine Geschäftsgrundlage bilden könne. Die gemeinsame Vorstellung der Parteien über die zu entsorgenden Mengen könne jedoch als Geschäftsgrundlage gelten.
Eine weitere Voraussetzung des § 313 BGB ist, dass der Vertrag nicht oder nicht mit demselben Inhalt geschlossen worden wäre, wenn die Parteien Kenntnis von den geringeren Mengen gehabt hätten. Das OLG Frankfurt verneinte diese Voraussetzung, da die Parteien bei der Nachtragsvereinbarung bereits Kenntnis über die tatsächlichen Mengen hatten und trotzdem den Vertrag fortsetzten.
Unzumutbarkeit
Das Gericht prüfte auch die Unzumutbarkeit des weiteren Festhaltens am Vertrag. Selbst wenn die Geschäftsgrundlage weggefallen wäre, wäre das Vertragsverhältnis nicht unzumutbar gewesen. Eine Abweichung von etwa 14% der Mengen sei nicht ausreichend, um eine Unzumutbarkeit zu begründen. Das OLG Frankfurt betonte, dass alle Umstände berücksichtigt werden müssen und die Unzumutbarkeit oft nicht vorliegt, wenn das Missverhältnis nicht gravierend ist.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Frankfurt verdeutlicht die hohen Hürden für Nachtragsforderungen im Bauvertragsrecht. Vertragsparteien sollten Formblätter und vorformulierte Vertragsbestandteile genau prüfen und die Voraussetzungen des § 313 BGB bei Nachträgen sorgfältig beachten.
Wichtige Erkenntnis für Auftraggeber
Stellen Sie sicher, dass Nachtragsvereinbarungen und Formblätter präzise formuliert und vertraglich verankert sind, um Klarheit über die Vergütung von Mehr- oder Mindermengen zu schaffen und Streitigkeiten zu vermeiden.
Wichtige Erkenntnis für Bieter
Prüfen Sie sorgfältig, ob die Voraussetzungen für einen Nachtrag nach § 313 BGB erfüllt sind. Stellen Sie sicher, dass Sie umfassende Kenntnis über die Vertragsmengen haben und bedenken Sie, dass die Unzumutbarkeit des Vertragsverhältnisses schwer zu beweisen ist.
Wie wir Ihnen helfen können
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