Handreichung zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen
aufgrund von Kartellabsprachen
von Rechtsanwalt Dr. Christoph Kins und Rechtsanwalt Dr. Stefan Schmidt
Kanzlei abante Rechtsanwälte Kins Lohmann PartG mbB
Immer wieder stehen Kartellabsprachen im Mittelpunkt des Wettbewerbsrechts. Nach dem Feuerwehrkartell, das von den Kommunalen Spitzenverbänden erfolgreich aufgearbeitet wurde, und Kartellen für Lastkraftwagen und Omnibusse wendet sich der Fokus nunmehr auch anderen Gegenständen der öffentlichen Beschaffung zu. Die Wettbewerbsanwälte Dr. Christoph Kins und Dr. Stefan Schmidt (Kanzlei abante, Leipzig) haben nachstehend eine Handreichung erstellt, die öffentlichen Auftraggebern hilft, gegenüber Lieferanten, die sich Kartellabsprachen bedienen, die notwendigen Schritte einzuleiten und Schadensersatz zu erlangen.
Eine Liste mit betroffenen Produkten und Leistungen sowie möglichen Anspruchsgegnern kann kostenfrei und unverbindlich bei der Kanzlei abante unter kartellschadensersatz@abante.de angefordert und in einer kostenfreien Erstberatung besprochen werden. Die nachstehende Handreichung erleichtert den öffentlichen Auftraggebern das Vorgehen,
A. Ausgangslage
Sie sind als öffentlicher Auftraggeber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Vertragspartner von Unternehmen, die in der Vergangenheit gegen das Kartellverbot verstoßen haben. In vielen Bereichen, in denen öffentliche Aufträge vergeben werden, wurden vom Bundeskartellamt oder von der Europäischen Kommission Kartellabsprachen festgestellt. Dies betrifft etwa zahlreiche Unternehmen, die in öffentlichen Beschaffungsvorgängen bis dato gern gesehene Auftragnehmer waren, die zahlreiche Ausschreibungen gewonnen haben.
Es gab zum Beispiel Kartellabsprachen bei der Herstellung von Brückendehnungsfugen, Schachtabdeckungen oder von Asphaltmischgut. Die Kartellanten wurden dafür mit Bußgeldern sanktioniert. Es liegt auf der Hand, dass etwa die Straßenbauämter Ihrer Kommune Produkte bezogen haben, die Ihnen aufgrund vorher getroffener Kartellabsprachen überteuert angeboten wurden.
Juristisch ist Ihnen dadurch ein Schaden entstanden: Sie haben mehr als den Marktpreis gezahlt. Das Kartellrecht sieht vor, dass Sie Schadensersatzforderungen gegen die am Kartell beteiligten Unternehmen geltend machen können. Dadurch können Sie nachträglich einen Teil Ihrer gezahlten Gelder zurückholen, was in Zeiten von knappen Haushalten und sicher auch vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgebots der öffentlichen Verwaltung aufhorchen lassen sollte.
B. Wie
Die Kartellrechtsverfolgung wird in der Öffentlichkeit oftmals dem staatlichen Aufgabenbereich zugeordnet. Millionenbußgelder, die das Bundeskartellamt oder die Europäische Kommission verhängen, sorgen beim direkt betroffenen Produktbezieher, der durch die Kartelle geschädigt wurde, zwar für Genugtuung – ihren Schaden bekommen sie dadurch aber nicht ersetzt. Mit der privaten Kartellrechtsdurchsetzung, dem „private enforcement“, steht den Kartellgeschädigten aber ein wirksames Instrument zu, sich ihr zu viel gezahltes Geld zurückzuholen.
Juristisch besteht nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 33a Abs. 1 gegen alle Kartellanten als Gesamtschuldner. Sollten Sie in den Zeiträumen, in denen das jeweilige Kartell aktiv war, von irgendeinem Kartellanten eine Leistung bezogen haben, sind sie als unmittelbarer Abnehmer anspruchsberechtigt.
Doch Achtung, auch wenn Sie nur mittelbarer Abnehmer sind und ihr Vertragspartner seinerseits eine Leistung von einem Kartellanten bezogen hat, haben Sie einen Schadensersatzanspruch. Im Kartellrecht wird nämlich für alle Schadensersatzansprüche, die nach dem 26.12.2016 entstanden sind, vermutet, dass Zwischenabnehmer kartellbedingte Preisaufschläge auf ihre Endabnehmer „weiterwälzen“ (sog. Passing-On). Aber auch in Fällen, die sich vor dem 26.12.2016 ereigneten war dies – wenngleich auch nicht als strenge Vermutung – durch die Rechtsprechung des BGH anerkannt.
Für die Kommune als Abnehmer kommt es also nur darauf an, ob Sie ein kartellinvolviertes Produkt bezogen haben. Eine direkte Vertragsbeziehung zu einem Kartellanten ist nicht notwendig. Wenn beispielsweise ein Tiefbauunternehmen in Folge eines öffentlichen Auftrags eines Straßenbauamtes Kanaldeckel verbaut, die dieses von einem Kartellanten bezogen hat, besteht für Sie als öffentlicher Auftraggeber ein Direktanspruch gegen den Kartellanten.
Wichtig ist, dass es in einem Schadensersatzprozess nicht mehr darum geht, ob ein Verstoß gegen das Kartellrecht dem Grunde nach vorliegt. Dies hat entweder das Bundeskartellamt oder die Europäische Kommission bereits rechtskräftig festgestellt. Deren Beschlüsse entfalten Bindungswirkung auch für die Gerichte.
Hinsichtlich der Frage der Schadenshöhe besteht für alle Fälle, bei denen die Ansprüche nach dem 26.12.2016 entstanden sind, eine gesetzliche Vermutung, dass es zu einem Schaden gekommen ist. Die Schadenshöhe wird sodann vom Gericht geschätzt, wobei der Kartellschaden in der Regel 5-15 % des kartellbefangenen Produkts beträgt. Auch bei Vertragsschlüssen vor dem Stichtag bestehen nach stetiger Rechtsprechung ebenfalls erhebliche Beweiserleichterungen hinsichtlich des Vorliegens eines Kartellschadens.
C. Wann?
Die Verjährungsvorschriften im Kartellschadensersatzrecht sind kompliziert. Aufgrund der starken unionsrechtlichen Prägung der kartellrechtlichen Vorschriften, ist die Rechtsprechung zu Verjährungsfragen nach wie vor im Fluss.
Grob kann man sich aber merken, dass in der Regel Ansprüche ca. sechs Jahre, nach Eintritt der Bestandskraft einer kartellbehördlichen Verfügung verjähren, in der der Kartellrechtsverstoß festgestellt wurde. Im Einzelfall gibt es aber sogar zehn Jahre nach dem Erlass der Verfügung noch Möglichkeiten, Zuvielzahlungen, die unmittelbar an die Kartellanten erfolgt sind, zurückzuerhalten.
Das bedeutet aber auch, dass Ihre Ansprüche Verträge betreffen, die weit in der Vergangenheit liegen können. Im Extremfall hat beispielsweise die Kommission ein Kartell aufgedeckt, das wohl seit 1989 bestanden hat. Sollten Sie seit 1989 Produkte dieses Herstellers bezogen haben, können Sie heute noch Schäden geltend machen.
Da die Vorbereitung eines Kartellschadensersatzverfahrens einige Zeit in Anspruch nimmt, sollten Sie nicht zögern, da die Gefahr besteht, dass Schadensersatzansprüche verjähren.
D. Wer?
Gerne sind wir von abante Rechtsanwälte Ihnen bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen behilflich. Es ergibt aber aus ökonomischen Gründen Sinn, die Prozesse gegen einzelne kartellbeteiligte Unternehmen zu bündeln. Daher wenden wir uns nicht nur an Sie, sondern an zahlreiche öffentliche Auftraggeber, die Forderungen haben, die demnächst zu verjähren drohen.
Falls Sie sich also einen Teil Ihrer Ausgaben zurückholen möchten, werden wir gemeinsam eruieren, welche kartellbefangene Produkte in der Vergangenheit von Ihrer Kommune beschafft wurden. Dafür senden wir Ihnen eine Liste mit Produkten von Unternehmen und den Zeiträumen, in denen das Kartell aktiv war. Durch einen Blick in die Vergabeakten kann so von Ihnen festgestellt werden, ob Sie Kartellgeschädigter sind. Da in den vergangenen Jahren beachtliche Kartelle – etwa im Straßenbaubereich – aufgedeckt wurden, gehen wir davon aus, dass solche Fälle definitiv bei Ihnen aufgetreten sind.
Haben wir entsprechende Rückmeldungen, dass sich das prozessuale Vorgehen gegen einen Kartellanten lohnt, werden wir für Sie tätig. Durch dieses Zuwarten kann sichergestellt werden, dass genügend Anspruchsteller beteiligt sind und sich unsere sowie die Gerichtskosten auf mehrere Schultern verteilen.