Schadensersatz bei falschem Absageschreiben

Schadensersatz bei falschem Absageschreiben

Ein kleiner Fall aus unserer anwaltlichen Praxis: Der Bieter, unsere Mandantschaft, erhält ein Absageschreiben, und es ist schlichtweg falsch, was sich jedoch erst später herausstellt. Welche Ansprüche hat der Bieter dann? Wenn er nach dem Erhalt dieses Schreibens überflüssigerweise einen Anwalt mit der Überprüfung der Vergabeentscheidung beauftragt hat – überflüssigerweise, weil die Vergabeentscheidung in Wahrheit ganz anders lautete und das Absageschreiben somit schlicht falsch war –, dann erhält er schon mal die Anwaltskosten ersetzt. So jedenfalls das Landgericht Chemnitz mit rechtskräftigem Urteil vom 29. November 2022 (Az. 3 S 52/22).

Sachverhalt:

Der Auftraggeber informierte unsere Mandantschaft – die sich auf einen Bestreifungsauftrag beworben hatte – in einem Absageschreiben, dass sie eine Top-Qualitätspunktzahl erreicht habe, aber ein anderer Bieter besser angeboten habe und dieser Bieter deshalb den Zuschlag erhalten werde. Unsere Mandantschaft mochte sich das nicht so recht vorstellen, denn qualitativ konnte sie, die Mitteilung des Auftraggebers zugrunde gelegt, kaum überboten worden sein und preislich hatte sie ebenfalls sehr gut geboten. Sie wandte sich daher an uns als Anwaltskanzlei und wir versandten in ihrem Auftrag ein kurzes Rügeschreiben, in welchem wir preisliche Gesichtspunkte rügten, u. a. dass die Mandantschaft zumindest nicht auskömmlich unterboten worden sein konnte. Die Antwort des Auftraggebers ließ nicht lange auf sich warten. Er teilte uns mit, dass in Wahrheit die Qualitätspunktzahl doch viel niedriger sei als im Absageschreiben mitgeteilt, und dass die Mandantschaft den Zuschlag deshalb nicht erhalten solle. Ein wenig erstaunt, besprachen wir diese Wendung mit dem Bieter. Und er meinte recht trocken, dass er es sich vorstellen könne. Seine Konzepte seien ihm selbst nicht so gut erschienen. Hätte er gleich gewusst, dass er in Wahrheit viel weniger Qualitätspunkte erhalten hätte, so hätte er uns offen gestanden niemals beauftragt. In unseren Ohren klang das wie ein Schadensersatzfall. Die Anwaltskosten waren unserer Mandantschaft nur entstanden wegen des falschen Absageschreibens, in welchem die Qualitätspunkte viel höher angegeben worden waren, als sie in Wahrheit vergeben worden waren. Wäre der Mandantschaft von Beginn an die Wahrheit gesagt worden, sie hätte uns nie beauftragt. Also machten wir unsere Anwaltskosten als Schadensersatz geltend.

Entscheidung:  

Mit Erfolg! Nachdem die erste Instanz unserer Argumentation nicht so recht folgen mochte, sah es das Landgericht Chemnitz wie wir (Urteil vom 29.11.2022 – 3 S 52/22). Das Landgericht stütze seine Entscheidung auf §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB. Der Auftraggeber habe durch die versehentlich falsche Mitteilung der Punktebewertung die Rücksichtnahmepflicht aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis verletzt. Dies habe die Bieterin, unsere Mandantschaft, dazu veranlasst, die Vergabeentscheidung durch unsere Kanzlei überprüfen zu lassen. Daher stehe ihr ein Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten zu, denn diesen Schaden habe der Auftraggeber der Mandantin verursacht.

Fazit:

Für öffentliche Auftraggeber ist diese Entscheidung folgenreich. Informieren Sie unter allen Umständen richtig, sonst laufen Sie Gefahr, auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Achtung auch dann, wenn Sie unvollständig informieren. Auch dies kann Sie – in Einzelfällen – zum Schadensersatz verpflichten. Geben Sie daher Ihre Absageschreiben zur anwaltlichen Überprüfung, wenn Sie eine Rüge befürchten. Für Bieter und Bewerber gilt: Anwaltskosten erhalten Sie oftmals ersetzt. Scheuen Sie daher nicht den Gang zum Anwalt und lassen Sie unrichtige Vergabeentscheidungen überprüfen.

*Dieser Rechtstipp ersetzt keinen anwaltlichen Rat im Einzelfall. Er ist naturgemäß unvollständig, auch ist er nicht auf Ihren Fall bezogen und stellt zudem eine Momentaufnahme dar, da sich gesetzliche Grundlagen und Rechtsprechung im Lauf der Zeit ändern. Er kann und will nicht alle denkbaren Konstellationen abdecken, dient Unterhaltungs- und Erstorientierungszwecken und soll Sie zur frühzeitigen Abklärung von Rechtsfragen motivieren, nicht aber davon abhalten.